Verstand und Gefühl
– ja, dessen bin ich sicher – noch größere Freude daran haben, sie Ihnen zu bieten; aber, auf mein Wort, Sie haben es in keiner Weise einer Befürwortung von meiner Seite zu verdanken.«
Wahrheitsliebe nötigte sie schließlich, einen geringen Anteil an der Sache zuzugeben; aber gleichzeitig war sie so abgeneigt, als Wohltäterin Edwards zu erscheinen, daß sie dies nur sehr zögernd tat; und das trug wahrscheinlich dazu bei, in ihm den Verdacht zu bestärken, der ihm zuvor gekommen war. Denn als Elinor zu Ende gesprochen hatte, blieb er eine Weile in Gedanken versunken; schließlich sagte er, und es schien, als müßte er sich fast dazu überwinden: »Colonel Brandon scheint ein Mann von großem Verdienst und Ansehen zu sein. So habe ich es auch immer gehört, wenn von ihm gesprochen wurde, und ich weiß, daß auch Ihr Bruder ihn sehr schätzt. Er ist unzweifelhaft ein sehr verständiger Mensch und in seinen Umgangsformen ein vollkommener Gentleman.«
»O ja«, erwiderte Elinor, »ich glaube, Sie werden bei näherer Bekanntschaft all das in ihm finden, was Sie von ihm gehört haben; und da sie so nahe beieinander wohnen werden (denn ich habe gehört, das Pfarrhaus liegt fast neben dem |314| Herrenhaus), ist es besonders wichtig, daß er all diese Eigenschaften wirklich besitzt.«
Edward sagte nichts darauf; aber als sie sich abgewandt hatte, sandte er ihr einen so ernsten, so dringenden, so traurigen Blick zu, daß er zu besagen schien, er würde hiernach wünschen, die Entfernung zwischen dem Pfarrhaus und dem Herrenhaus wäre weit größer.
»Colonel Brandon logiert, glaube ich, in St. James’s Street?« sagte er bald darauf, während er sich erhob.
Elinor nannte ihm die Hausnummer.
»Dann muß ich rasch gehen, um ihm meinen Dank abzustatten – den Ihnen abzustatten Sie mir nicht erlauben wollen – und ihm zu versichern, daß er mich sehr – außerordentlich glücklich gemacht hat.«
Elinor versuchte nicht, ihn zurückzuhalten; und sie trennten sich, indem sie ihn ihrer ständigen guten Wünsche für seine Zukunft versicherte, während er diese Freundlichkeit zu erwidern suchte, ohne jedoch die rechten Worte zu finden.
›Wenn ich ihn wiedersehe‹, sagte Elinor zu sich selbst, als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte‚ ›wird er Lucys Gatte sein‹.
Und in dieser angenehmen Erwartung setzte sie sich hin, um die Vergangenheit von neuem zu überdenken, sich Edwards Worte ins Gedächtnis zurückzurufen und zu versuchen, sich in all seine Gefühle hineinzuversetzen – und natürlich, um mit wenig Freude über ihre eigenen nachzudenken.
Als Mrs. Jennings nach Hause kam, waren ihre Gedanken, obgleich sie von einem Besuch von Leuten zurückkam, die sie nie zuvor gesehen hatte und über die sie eine Menge zu berichten haben mußte, soviel mehr als mit irgend etwas anderem mit dem bedeutenden Geheimnis beschäftigt, das ihr anvertraut worden war, daß sie darauf zurückkam, sobald Elinor erschien.
»Nun, meine Liebe«, rief sie, »ich habe Ihnen den jungen Mann heraufgeschickt. Das habe ich doch richtig gemacht? Und ich nehme an, Sie hatten keine großen Schwierigkeiten. |315| Sie fanden ihn doch nicht abgeneigt, Ihren Vorschlag anzunehmen?«
»Nein, Ma’am, das war nicht sehr wahrscheinlich.«
»Na, und wie bald wird er bereit sein? Denn es scheint doch alles davon abzuhängen.«
»Wirklich«, sagte Elinor, »ich weiß so wenig über diese Art Verfahrensweisen, daß ich über die Zeit oder die Vorbereitungen, die dazu nötig sind, nicht einmal eine Vermutung äußern kann; aber ich nehme doch an, daß er in zwei bis drei Monaten ordiniert sein kann.«
»In zwei bis drei Monaten?« rief Mrs. Jennings; »Großer Gott, meine Liebe, wie ruhig Sie darüber sprechen! Und kann denn der Colonel zwei bis drei Monate warten? Also, ich würde absolut die Geduld verlieren. Und wenn man dem armen Mr. Ferrars auch sehr gern eine Freundlichkeit erweisen möchte, glaube ich nicht, daß es die Sache wert ist, zwei oder drei Monate auf ihn zu warten. Bestimmt könnte jemand anders gefunden werden, der das ebensogut tun könnte – jemand, der bereits ordiniert ist.«
»Meine liebe Ma’am«, sagte Elinor, »was denken Sie denn? Colonel Brandons einziges Ziel ist es doch, Mr. Ferrars nützlich zu sein.«
»Du meine Güte, meine Liebe, Sie wollen mir doch nicht etwa weismachen, daß der Colonel Sie nur heiratet, um Mr. Ferrars zehn Guineen geben zu können!«
Danach konnte die Täuschung
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