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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sie das getan hat, kann man doch gewiß nicht annehmen, daß sie seinetwegen überhaupt noch Sorge oder Freude empfinden wird – sie kann doch in keiner Weise mehr an etwas interessiert sein, was ihm begegnet. Sie würde doch nicht so schwach sein, einerseits dem Wohlergehen eines Sohnes keinerlei Beachtung mehr zu schenken und doch die Besorgnis einer Mutter beizubehalten!«
    »Ach, Elinor«, sagte John, »deine Argumentation ist sehr gut, aber sie beruht auf Unkenntnis der menschlichen Natur. Wenn Edwards unglückselige Heirat stattfindet, dann kannst du sicher sein, daß seine Mutter es ebenso empfinden wird, als hätte sie ihn niemals aufgegeben; und deshalb muß jeder Umstand, der dieses schreckliche Ereignis beschleunigen |321| kann, soweit wie möglich vor ihr verheimlicht werden. Mrs.   Ferrars kann niemals vergessen, daß Edward ihr Sohn ist.«
    »Du überraschst mich; ich würde meinen, das muß ihr inzwischen schon fast entfallen sein.«
    »Du tust ihr sehr unrecht. Mrs.   Ferrars ist eine der liebevollsten Mütter, die es auf der Welt gibt.«
    Elinor sagte nichts darauf.
    »Wir denken nun«, sagte Mr.   Dashwood nach einer kurzen Pause, »daß Robert Miss Morton heiraten wird.«
    Elinor, die über den ernsten, gewichtigen Ton ihres Bruders lächeln mußte, entgegnete ruhig: »Die Dame wird wohl bei dieser Sache gar nicht gefragt?«
    »Nicht gefragt! – Wie meinst du das?«
    »Ich meine nur, daß ich nach dem, wie du darüber sprichst, annehme, daß es für Miss Morton ganz gleich sein muß, ob sie Edward oder Robert heiratet.«
    »Natürlich, da kann es keinen Unterschied geben; denn Robert wird nun in jeder Hinsicht als der älteste Sohn betrachtet; und was alles andere betrifft – sie sind beide liebenswürdige junge Männer   –, ich wüßte nicht, daß einer dem anderen überlegen ist.«
    Elinor sagte nichts weiter, und John war ebenfalls ein Weilchen still. Seine Überlegungen führten schließlich zu der folgenden Bemerkung: »Eine Sache, meine liebe Schwester«, sagte er in ehrfurchtsvollem Flüsterton, während er freundlich ihre Hand nahm, »kann ich dir jedenfalls versichern; und das will ich tun, weil ich weiß, daß es dich freuen wird. Ich habe guten Grund zu glauben – ja, ich habe es aus bester Quelle, sonst würde ich es nicht wiedergeben, denn dann wäre es sehr unrecht, etwas darüber verlauten zu lassen – aber ich habe es aus allerbester Quelle   –, nicht daß ich es Mrs.   Ferrars selbst habe sagen hören, aber ihre Tochter hat es gehört, und von ihr habe ich es; also kurz und gut, ich habe guten Grund zu glauben, daß Mrs.   Ferrars, welche Einwände es auch gegen eine gewisse – eine gewisse Verbindung – gegeben haben mochte – du verstehst   –, ihr diese weit lieber gewesen wäre und sie ihr nicht halb soviel Ärger verursacht hätte wie
das
jetzt. Ich war |322| außerordentlich erfreut zu hören, daß Mrs.   Ferrars es in diesem Licht sieht – ein sehr befriedigender Umstand, weißt du, für uns alle. ›Es wäre überhaupt kein Vergleich gewesen‹, sagte sie, ›das geringere Übel von beiden‹, und sie wäre froh, wenn sie sich jetzt mit nichts Schlimmerem abfinden müßte. Aber das alles steht jetzt völlig außer Frage   –, und es sollte auch nicht mehr erwähnt werden; und was eine gewisse Zuneigung betrifft, du weißt – es wäre niemals möglich gewesen, das ist nun alles vorbei. Aber ich dachte, ich sollte es dir doch erzählen, weil ich wußte, wie sehr es dich freuen würde. Nicht, daß du einen Grund zum Bedauern hättest, meine liebe Elinor. Es gibt gar keinen Zweifel, daß du dich außerordentlich gut verheiraten wirst – ganz genauso gut, oder, alles in allem, vielleicht sogar besser. Ist Colonel Brandon in letzter Zeit bei dir gewesen?«
    Elinor hatte genug gehört, wenn auch nicht, um ihre Eitelkeit zu befriedigen oder ihr Selbstgefühl zu heben, so doch, um sie in Aufregung zu versetzen und ihre Gedanken auszufüllen; und sie war deshalb froh, daß ihr die Notwendigkeit, selbst viel darauf zu sagen, und die Gefahr, noch mehr von ihrem Bruder hören zu müssen, erspart blieben, da nun Mr.   Robert Ferrars erschien. Nachdem sie einige Minuten lang geplaudert hatten, ging John Dashwood, da ihm einfiel, daß Fanny noch nicht von der Anwesenheit seiner Schwester informiert worden war, hinaus, um sie zu suchen; und Elinor war es nun überlassen, ihre Bekanntschaft mit Robert zu vertiefen, der durch die muntere Unbekümmertheit und

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