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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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unglücklicheren Verlauf, denn sie fuhren überhaupt nicht.
    Um zehn Uhr war die ganze Gesellschaft im Park versammelt, wo man frühstücken wollte. Obgleich es die ganze Nacht geregnet hatte, war der Morgen recht vielversprechend, da sich die Wolken jetzt am Himmel zerstreuten und die Sonne zum Vorschein kam. Sie waren alle in gehobener Stimmung und voll guter Laune, begierig, sich zu vergnügen, und entschlossen, eher die größten Unbequemlichkeiten und Beschwernisse auf sich zu nehmen, als darauf zu verzichten.
    Während sie beim Frühstück saßen, wurden die Briefe gebracht. Unter ihnen befand sich auch ein Brief für Colonel Brandon; er nahm ihn entgegen, sah auf die Adresse, wechselte die Farbe und verließ augenblicklich das Zimmer.
    »Was ist denn mit Colonel Brandon los?« sagte Sir John.
    Niemand wußte es.
    »Ich hoffe, er hat keine schlechte Nachricht bekommen«, sagte Lady Middleton. »Es muß schon etwas Außergewöhnliches sein, das Colonel Brandon veranlassen konnte, meinen Frühstückstisch so plötzlich zu verlassen.«
    Nach fünf Minuten kam er zurück.
    »Doch keine schlechte Nachricht, hoffe ich, Colonel?« sagte Mrs.   Jennings, sobald er hereinkam.
    »Ganz und gar nicht, Ma’am, danke.«
    »War er aus Avignon? Ich hoffe, es ist keine Mitteilung, daß es Ihrer Schwester schlechter geht?«
    |74| »Nein, Ma’am. Er kommt aus der Stadt, es ist nur ein Geschäftsbrief.«
    »Aber wie kann es sein, daß schon die Handschrift Sie so sehr aus der Fassung bringt, wenn es nur ein Geschäftsbrief ist? Kommen Sie schon, das ist es doch nicht, Colonel; lassen Sie uns also die Wahrheit hören.«
    »Meine liebe Mama«, sagte Lady Middleton, »besinne dich, was du sagst.«
    »Vielleicht bringt er Ihnen die Nachricht, daß Ihre Cousine Fanny geheiratet hat?« sagte Mrs.   Jennings, ohne sich um den Verweis ihrer Tochter zu kümmern.
    »Nein, wirklich, das ist es nicht.«
    »Na, dann weiß ich, von wem er ist, Colonel. Und ich hoffe, es geht ihr gut.«
    »Wen meinen Sie, Ma’am?« sagte er und wurde ein wenig rot.
    »Oh, Sie wissen schon, wen ich meine.«
    »Es tut mir ganz besonders leid, Ma’am«, sagte er zu Lady Middleton gewandt, »daß ich gerade heute diesen Brief bekommen habe, denn es geht um eine Sache, die meine sofortige Anwesenheit in der Stadt erfordert.«
    »In der Stadt!« rief Mrs.   Jennings. »Was können Sie zu dieser Zeit des Jahres in der Stadt zu tun haben?«
    »Es ist für mich selbst ein großer Verlust«, fuhr er fort, »daß ich genötigt bin, eine so angenehme Gesellschaft zu verlassen; und es bekümmert mich um so mehr, als meine Gegenwart leider erforderlich ist, um Ihnen in Whitwell Einlaß zu verschaffen.«
    Was für ein Schlag war das für sie alle!
    »Aber wenn Sie uns eine Nachricht an die Haushälterin mitgeben würden, Mr.   Brandon«, sagte Marianne eifrig, »wäre das nicht ausreichend?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Wir müssen fahren«, sagte Sir John. »Es kann nicht mehr aufgeschoben werden, wo wir doch schon so nahe daran sind. Sie können eben erst morgen in die Stadt fahren, Brandon, das ist es.«
    |75| »Ich wünschte, es wäre so einfach zu regeln. Aber es liegt nicht in meiner Macht, meine Reise auch nur um einen Tag zu verschieben.«
    »Wenn Sie uns nur wissen ließen, was das für ein Geschäft ist«, sagte Mrs.   Jennings, »dann könnten wir feststellen, ob es aufgeschoben werden kann oder nicht.«
    »Sie kämen keine sechs Stunden später«, sagte Willoughby, »wenn Sie Ihre Reise bis zu unserer Rückkehr aufschieben würden.«
    »Ich kann es mir nicht leisten, auch nur eine Stunde zu verlieren.«
    Elinor hörte darauf, wie Willoughby mit leiser Stimme zu Marianne sagte: »Es gibt einige Leute, die können Landpartien nicht ausstehen, und Brandon ist einer davon. Bestimmt hatte er nur Angst, sich zu erkälten, und hat sich diese List ausgedacht, um sich da herauszuwinden. Ich wette fünfzig Guineen, daß er den Brief selbst geschrieben hat.«
    »Das glaube ich auch«, sagte Marianne.
    »Sie sind nicht zu bewegen, Ihren Entschluß zu ändern, Brandon, wenn Sie sich einmal entschieden haben«, sagte Sir John, »das kenne ich schon. Aber ich hoffe, Sie überlegen es sich trotzdem noch. Bedenken Sie, hier sind die beiden Misses Carey, die von Newton herübergekommen sind, die drei Misses Dashwood, die von Barton Cottage zu Fuß hierher gekommen sind, und Mr.   Willoughby, der extra zwei Stunden vor seiner gewöhnlichen Zeit aufgestanden ist, um

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