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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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zuviel.
    »Du irrst dich, Elinor«, sagte sie heftig, »wenn du annimmst, ich weiß sehr wenig von Willoughby. Ich kenne ihn in der Tat noch nicht lange, aber ich kenne ihn besser als irgendeinen anderen Menschen in der Welt, außer dir und Mama. Nicht Zeit oder Gelegenheit sind entscheidend, um miteinander vertraut zu werden, sondern allein die Charakteranlagen. Sieben Jahre würden für einige Leute nicht ausreichen, um einander kennenzulernen, und für andere sind sieben Tage mehr als genug. Ich hielte mich größerer Unschicklichkeit für schuldig, wenn ich ein Pferd von meinem Bruder annehmen würde als von Willoughby. Von John weiß ich sehr wenig, obgleich wir jahrelang zusammen gelebt haben; aber über Willoughby habe ich mir längst mein Urteil gebildet.«
    Elinor hielt es für das klügste, dieses Thema nicht mehr zu berühren. Sie kannte das Temperament ihrer Schwester. Ein Widersprechen bei einer so heiklen Angelegenheit würde sie nur um so mehr an ihrer Meinung festhalten lassen. Aber ein Appell an die Liebe zu ihrer Mutter, in dem sie ihr die Schwierigkeiten vorstellte, die diese nachsichtige Mutter auf sich nehmen mußte, wenn (wie es wahrscheinlich der Fall sein würde) sie dieser Erweiterung des Haushalts zustimmte, dämpfte Marianne sehr bald, und sie versprach, das Angebot nicht zu erwähnen, um ihre Mutter dadurch nicht zu einem so unklugen Beweis ihrer Güte zu verleiten und Willoughby, wenn sie ihn das nächste Mal sehen würde, zu sagen, daß sie das Geschenk ablehnen müsse.
    Sie hielt gewissenhaft Wort; und als Willoughby noch am gleichen Tag zu ihnen kam, hörte Elinor, wie sie ihm gegenüber mit leiser Stimme ihre Enttäuschung darüber äußerte, daß sie genötigt sei, auf die Annahme seines Geschenks zu verzichten. Die Gründe für diesen Wandel wurden ihm gleichfalls mitgeteilt, und sie waren von einer Art, die jede |69| weitere Bitte von seiner Seite unmöglich machte. Seine Betroffenheit war jedoch ganz offensichtlich; und nachdem er sie aufrichtig zum Ausdruck gebracht hatte, fügte er ebenso leise hinzu: »Aber, Marianne, das Pferd bleibt Ihnen, auch wenn Sie es jetzt nicht nutzen können. Ich werde es behalten, bis Sie es beanspruchen können. Wenn Sie Barton verlassen, um Ihren eigenen Hausstand in einem dauerhafteren Heim zu gründen, soll Queen Mab Sie empfangen.«
    Das alles hatte Miss Dashwood mit angehört; und in seinen ganzen Worten, der Art, wie er sie vorbrachte, und der Anrede ihrer Schwester allein mit dem Vornamen, erkannte sie augenblicklich eine so deutliche Vertrautheit, eine so unmittelbare Bedeutung, daß es ein vollkommenes Einverständnis zwischen den beiden geben mußte. Von diesem Augenblick an zweifelte sie nicht, daß sie miteinander verlobt waren; und diese Überzeugung überraschte sie nur insofern, als so offenherzige Naturen es ihr und ihren Angehörigen überließen, dies durch Zufall zu entdecken.
    Margaret erzählte ihr am nächsten Tag etwas, das diese Angelegenheit in ein noch klareres Licht rückte. Willoughby hatte den Abend davor mit ihnen verbracht, und Margaret, die einige Zeit allein mit ihm und Marianne im Wohnzimmer geblieben war, hatte Gelegenheit gehabt, sie zu beobachten, was sie mit höchst wichtiger Miene ihrer ältesten Schwester berichtete, als sie das nächste Mal mit ihr allein war.
    »O Elinor, ich muß dir ein solches Geheimnis über Marianne erzählen. Sie wird ganz bestimmt sehr bald mit Mr.   Willoughby verheiratet sein.«
    »Das erzählst du mir nun schon fast jeden Tag«, erwiderte Elinor, »seit sie sich auf dem High-Church-Hügel zum erstenmal begegnet sind; und sie hatten sich, glaube ich, noch keine Woche gekannt, als du schon sicher warst, daß Marianne sein Bild um den Hals trug; aber dann stellte sich heraus, daß es nur eine Miniatur von unserem Großonkel war.«
    »Aber das ist doch etwas ganz anderes. Ich bin sicher, sie werden sehr bald heiraten, er hat nämlich eine Locke von ihrem Haar bekommen.«
    |70| »Paß nur auf, Margaret, es könnte vielleicht nur eine Locke von einem Großonkel von ihm sein.«
    »Aber wirklich, Elinor, sie ist von Marianne. Da bin ich fast ganz sicher, ich hab nämlich gesehen, wie er sie abschnitt. Gestern abend nach dem Tee, als du mit Mama rausgegangen warst, haben sie furchtbar schnell miteinander geredet und geflüstert, und er schien sie um etwas zu bitten, und dann hat er gleich ihre Schere genommen und eine lange Locke von ihrem Haar abgeschnitten, das war ihr nämlich ganz auf

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