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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Einrichtung; aber wenn es neu ausgestattet würde – mit ein paar hundert Pfund, sagt Willoughby – würde daraus eines der schönsten Sommerzimmer von England werden.«
    Hätte Elinor ihr ohne Unterbrechung durch die anderen zuhören können, so hätte sie jedes Zimmer in dem Haus mit dem gleichen Entzücken beschrieben.

|81| Kapitel 14
    Das plötzliche Ende von Colonel Brandons Besuch in Barton Park und sein standhaftes Verschweigen der Gründe dafür beschäftigten und verwunderten Mrs.   Jennings mehrere Tage lang; sie wunderte sich überhaupt beständig, wie es ein jeder tun muß, der ein so lebhaftes Interesse an allem Kommen und Gehen seiner ganzen Bekanntschaft bekundet. Sie wunderte sich beinahe ununterbrochen, was wohl der Grund sein könnte, war sicher, daß es eine schlechte Nachricht gegeben haben mußte, und ging in Gedanken alle Arten von Leid, die ihm widerfahren sein könnten, mit dem festen Entschluß durch, daß er ohne das ein oder andere nicht davonkommen sollte.
    »Es muß bestimmt etwas sehr Trauriges sein«, sagte sie. »Ich konnte es ihm am Gesicht ansehen. Der arme Mann! Ich fürchte, seine Angelegenheiten stehen schlecht. Das Gut in Delaford wurde nie auf mehr als zweitausend Pfund im Jahr geschätzt, und sein Bruder hinterließ alles in einem sehr verworrenen Zustand. Ich glaube sicher, man hat wegen Geldangelegenheiten nach ihm geschickt, was kann es denn sonst gewesen sein? Ob es das wohl ist? Ich würde sonst alles dafür geben, um die Wahrheit zu erfahren. Vielleicht ist es auch wegen Miss Williams – das kann übrigens gut sein, denn er blickte so befangen drein, als ich sie erwähnte. Vielleicht ist sie in der Stadt krank geworden; nichts in der Welt ist wahrscheinlicher; ich habe den Verdacht, daß sie schon immer ziemlich kränklich war. Ich gehe jede Wette ein, es ist wegen Miss Williams. Es ist nicht so sehr wahrscheinlich, daß ihm seine finanziellen Verhältnisse
jetzt
noch Sorgen machen, denn er ist ein sehr umsichtiger Mensch, und er hat das Gut |82| bestimmt inzwischen schuldenfrei gemacht. Was kann es nur sein! Vielleicht geht es seiner Schwester in Avignon schlechter, und sie hat nach ihm geschickt. Seine Abreise in solcher Eile macht das sehr wahrscheinlich. Na, ich wünsche ihm von ganzem Herzen, daß er all seine Sorgen los wird – und wünsche ihm eine gute Frau dazu.«
    So überlegte und redete Mrs.   Jennings hin und her, und ihre Meinung änderte sich mit jeder neuen Vermutung, und alle schienen gleichermaßen wahrscheinlich. Obgleich Elinor wirklich am Wohlergehen Colonel Brandons Anteil nahm, konnte sie sich doch nicht soviel Gedanken um seine so plötzliche Abreise machen, wie Mrs.   Jennings es gewünscht hätte; denn außer daß dieser Umstand ihrer Meinung nach keine so dauernde Verwunderung und so vielfältige Spekulationen rechtfertigte, waren
ihre
Gedanken anderweitig in Anspruch genommen, und zwar von dem seltsamen Schweigen ihrer Schwester und Willoughbys über das Thema, das, wie sie wissen mußten, für sie alle von besonderem Interesse war. Da dieses Schweigen anhielt, ließ es jeder neue Tag merkwürdiger und mit der Gemütsart beider unvereinbarer erscheinen. Warum sie ihrer Mutter und ihr selbst gegenüber nicht offen ein Ereignis eingestehen sollten, das ihr beständiges Verhalten miteinander doch deutlich offenbarte, war Elinor ein Rätsel.
    Sie konnte sich leicht denken, daß Heiraten für sie nicht sofort möglich war, denn obgleich Willoughby unabhängig war, gab es keinen Grund, ihn für reich zu halten. Willoughbys Besitztum hatte Sir John auf etwa sechs- oder siebenhundert Pfund im Jahr geschätzt; aber bei seinem aufwendigen Lebensstil konnte sein Einkommen kaum ausreichend sein, und er hatte sich oft über seine Armut beklagt. Doch die seltsame Verschwiegenheit der beiden hinsichtlich ihrer Verlobung, die in Wirklichkeit überhaupt nichts verbarg, war ihr unerklärlich; und sie stand in so völligem Gegensatz zu den allgemeinen Überzeugungen und Gewohnheiten der beiden, daß Elinor zuweilen Zweifel daran kamen, ob sie wirklich verlobt waren; und diese Zweifel genügten, sie daran zu hindern, Marianne deshalb zu befragen.
    |83| Nichts konnte Willoughbys Zuneigung zu ihnen allen deutlicher beweisen als sein Verhalten. Marianne gegenüber zeigte es die ganze charakteristische Zärtlichkeit, die das Herz eines Liebhabers vergeben konnte, und gegenüber der übrigen Familie die liebevolle Aufmerksamkeit eines Sohnes und Schwagers. Das

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