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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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daß es beide hören konnten, sagte: »Ich habe Sie trotz all Ihrer Schliche durchschaut. Ich weiß, wo Sie den Vormittag verbracht haben.«
    Marianne wurde rot und erwiderte sehr hastig: »Und wo, bitte?«
    »Wußten Sie nicht«, sagte Willoughby, »daß wir in meinem Zweispänner ausgefahren waren?«
    »Ja, ja, Mr.   Dreist, das weiß ich sehr wohl, und ich war entschlossen herauszufinden,
wo
Sie gewesen sind. Ich hoffe, Ihr Haus gefällt Ihnen, Miss Marianne. Ich weiß, es ist sehr groß, und wenn ich Sie besuchen komme, hoffe ich, Sie haben es neu ausgestattet; das hatte es nämlich schon sehr nötig, als ich vor sechs Jahren dort war.«
    Marianne wandte sich völlig verwirrt ab. Mrs.   Jennings lachte herzhaft; und Elinor fand heraus, daß Mrs.   Jennings in ihrem festen Vorsatz zu erfahren, wo sie gewesen waren, doch tatsächlich ihr eigenes Dienstmädchen genötigt hatte, den Stallburschen Mr.   Willoughbys zu befragen; auf diese Weise hatte sie in Erfahrung gebracht, daß sie in Allenham gewesen waren und eine beträchtliche Zeit damit verbracht hatten, im Garten umherzugehen und das ganze Haus zu besichtigen.
    Elinor konnte das kaum glauben; es schien sehr unwahrscheinlich, daß Willoughby ihr vorgeschlagen haben und Marianne einverstanden gewesen sein sollte, das Haus in Anwesenheit von Mrs.   Smith zu betreten, mit der Marianne nicht im mindesten bekannt war.
    Sobald sie das Speisezimmer verlassen hatten, fragte Elinor sie danach; und zu ihrer großen Verwunderung mußte sie feststellen, daß Mrs.   Jennings Bemerkungen in jeder Einzelheit durchaus der Wahrheit entsprachen. Marianne war ziemlich ärgerlich auf sie, daß sie es anzweifelte.
    »Warum solltest du annehmen, Elinor, daß wir da
nicht
hingegangen sind oder das Haus
nicht
besichtigt haben? Ist es nicht etwas, was du oft schon selbst tun wolltest?«
    »Ja, Marianne, aber ich würde nicht hingehen, wenn Mrs. |79| Smith anwesend wäre, und dann auch nicht allein nur mit Mr.   Willoughby.«
    »Aber Mr.   Willoughby ist doch die einzige Person, die ein Recht haben kann, das Haus zu zeigen; und da wir in einer offenen Kutsche fuhren, war es unmöglich, noch einen anderen Begleiter mitzunehmen. Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen erfreulicheren Vormittag verbracht.«
    »Ich fürchte«, erwiderte Elinor, »daß eine Beschäftigung erfreulich ist, beweist nicht immer, daß sie auch schicklich ist.«
    »Im Gegenteil, nichts kann ein stärkerer Beweis dafür sein, Elinor, denn wäre das, was ich tat, wirklich unschicklich gewesen, wäre es mir zu der Zeit bewußt geworden, denn man weiß immer, wenn man etwas Falsches tut, und mit einer solchen Überzeugung hätte ich kein Vergnügen daran haben können.«
    »Aber, meine liebe Marianne, wo dir dies schon einige ungehörige Bemerkungen eingebracht hat, beginnst du da nicht an der Besonnenheit deines Verhaltens zu zweifeln?«
    »Wenn die ungehörigen Bemerkungen von Mrs.   Jennings ein Beweis für unschickliches Verhalten sein sollen, dann sündigen wir alle in jedem Augenblick unseres Lebens. Ihr Tadel bedeutet mir nicht mehr, als es ihr Lob täte. Ich bin mir nicht bewußt, irgend etwas Falsches getan zu haben, als ich durch Mrs.   Smiths Gartenanlagen gegangen bin und ihr Haus besichtigt habe. Die werden eines Tages Mr.   Willoughby gehören, und   ...«
    »Auch wenn sie eines Tages die deinen wären, Marianne, würde dies nicht rechtfertigen, was du getan hast.«
    Sie errötete bei dieser Andeutung, doch war sie sichtlich erfreut darüber; und nach einer zehnminütigen Pause ernsten Nachdenkens kam sie wieder zu ihrer Schwester und sagte in allerbester Laune: »Vielleicht war es ziemlich unbesonnen von mir, nach Allenham mitzufahren, aber Mr.   Willoughby wünschte ganz besonders, es mir zu zeigen; und es ist ein entzückendes Haus, das versichere ich dir. In der oberen Etage befindet sich ein ganz bezauberndes Wohnzimmer von einer |80| hübschen, behaglichen Größe für die dauernde Benutzung; und mit modernen Möbeln wäre es wunderschön. Es ist ein Eckzimmer und hat an zwei Seiten Fenster. Auf der einen Seite blickt man über den Rasenplatz hinter dem Haus hinweg auf einen wunderschönen bewaldeten Abhang; und auf der anderen Seite hat man einen Blick auf die Kirche und das Dorf, und jenseits davon auf die prächtigen kühnen Hügel, die wir so oft bewundert haben. Ich habe das Zimmer nicht in einem günstigen Zustand gesehen, denn nichts konnte trostloser sein als seine

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