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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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heftig für das, was sie gesagt hatte; doch hätte sie es sich rascher vergeben, wenn sie gewußt hätte, wie wenig es ihre Schwester verletzt hatte.
    Noch vor Mittag bekamen sie Besuch von Sir John und Mrs.   Jennings, die von der Ankunft eines Herrn im Landhaus gehört hatten und nun kamen, um den Gast zu begutachten. Mit der Hilfe seiner Schwiegermutter brauchte Sir John nicht lange, um zu entdecken, daß der Name Ferrars mit einem F begann, und dies verschaffte ihnen eine Fundgrube für zukünftige Neckereien gegen die verliebte Elinor, mit denen sie nur deshalb nicht sofort herausplatzten, weil ihre Bekanntschaft mit Edward noch so neu war. Doch wie die Dinge lagen, erfuhr Elinor nur durch einige vielsagende Blicke, wieweit sie die Sache, gestützt auf Margarets Informationen, durchschauten.
    Sir John kam nie zu den Dashwoods, ohne sie entweder am nächsten Tag zum Dinner in Barton Park oder am selben |112| Abend zum Tee zu bitten. Bei dieser Gelegenheit wollte er sie zur besseren Unterhaltung ihres Besuchers, zu dessen Vergnügen beizutragen er sich verpflichtet fühlte, zu beidem einladen.
    »Sie müssen heute abend zum Tee kommen«, sagte er, »denn wir sind ganz allein – und morgen müssen Sie unbedingt mit uns speisen, weil wir dann eine große Tischgesellschaft sein werden.«
    Mrs.   Jennings bekräftigte diese Notwendigkeit. »Und wer weiß, vielleicht arrangieren wir auch noch einen Tanz?« sagte sie. »Und das wird
Sie
geneigt machen, Miss Marianne.«
    »Tanzen!« rief Marianne. »Unmöglich! Wer sollte denn tanzen?«
    »Wer! Na, Sie natürlich und die Careys und Whitakers. Wie, Sie dachten wohl, niemand kann tanzen, weil eine bestimmte Person, die nicht genannt werden soll, fort ist!«
    »Ich wünschte von ganzem Herzen«, rief Sir John, »Willoughby wäre wieder unter uns.«
    Dies und Mariannes Erröten erweckte neuen Verdacht bei Edward. »Und wer ist Willoughby?« fragte er mit leiser Stimme Miss Dashwood, neben der er saß.
    Sie antwortete nur kurz. Mariannes Gesicht war mitteilsamer. Edward sah genug, um nicht nur zu begreifen, was die anderen meinten, sondern auch das, was ihn schon an früheren Äußerungen Mariannes verwundert hatte; und als ihre Besucher fort waren, ging er sogleich zu ihr hin und sagte im Flüsterton: »Ich könnte mir etwas denken. Soll ich Ihnen sagen, was es ist?«
    »Was meinen Sie?«
    »Soll ich es Ihnen sagen?«
    »Gewiß.«
    »Also gut, ich vermute, daß Mr.   Willoughby jagt.«
    Marianne war überrascht und verwirrt, doch sie mußte lächeln über seine stille Schalkhaftigkeit, und nach einem momentanen Schweigen sagte sie: »Oh, Edward, wie können Sie nur! – Aber die Zeit wird kommen, hoffe ich   ... Bestimmt werden Sie ihn mögen.«
    |113| »Ich bezweifle es nicht«, erwiderte er ziemlich erstaunt über ihren Ernst und ihre Erregung, denn hätte er die Sache nicht als einen Scherz zur allgemeinen Erheiterung ihrer Bekannten betrachtet, der sich allein auf irgend etwas oder auch nichts zwischen Willoughby und ihr selbst gründete, hätte er nicht gewagt, sie zu erwähnen.

|114| Kapitel 19
    Edward blieb eine Woche in Barton Cottage; er wurde von Mrs.   Dashwood aufrichtig gedrängt, länger zu bleiben¸ aber als sei er auf Selbstkasteiung versessen, schien er entschlossen zu gehen, als seine frohe Zeit unter seinen Freunden auf ihrem Höhepunkt war. Obgleich seine Stimmung noch ziemlich schwankte, hatte sie sich doch während der letzten paar Tage sehr verbessert – er fand immer mehr Gefallen an dem Haus und seiner Umgebung – er sprach nie ohne einen Seufzer vom Fortgehen – erklärte, daß seine Zeit völlig unausgefüllt war – hatte sogar Zweifel, wohin er überhaupt gehen sollte, wenn er sie verließ – aber trotzdem, gehen mußte er. Niemals sei eine Woche so schnell vergangen – er könne kaum glauben, daß sie schon um sei. Das alles sagte er wiederholt; er sagte auch andere Dinge, die die Art seiner Gefühle offenbarten und seine Handlungen Lügen straften. Er hatte keine Freude in Norland; er haßte es, in der Stadt zu sein; aber er
mußte
entweder nach Norland oder nach London gehen. Er schätzte ihre Freundlichkeit mehr als alles andere, und sein größtes Glück war es, bei ihnen zu sein. Doch er mußte sie am Ende der Woche verlassen, entgegen ihren Wünschen und seinen eigenen und obwohl seine Zeit nicht beschränkt war.
    Elinor schrieb alles, was an seiner Handlungsweise verwunderlich war, seiner Mutter zu; es war ein Glück für sie,

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