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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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wußte oder vermutete – und Elinor hatte sie noch nicht zweimal gesehen, als die ältere von ihnen ihr auch schon zu dem Glück ihrer Schwester gratulierte, so bald nach ihrer Ankunft in Barton die Eroberung eines sehr feschen Kavaliers gemacht zu haben.
    |140| »Das ist ja ganz wunderbar, daß sie so jung heiraten wird«, sagte sie, »und wie ich höre, ist er ein richtiger Kavalier und unheimlich gutaussehend. Ich hoffe, Sie haben bald ebensolches Glück – aber vielleicht haben Sie auch schon einen heimlichen Freund.«
    Elinor konnte nicht annehmen, daß Sir John beim Verkünden seiner Vermutungen hinsichtlich ihrer Zuneigung zu Edward taktvoller vorgehen würde, als er es mit Marianne getan hatte; tatsächlich witzelte er darüber noch lieber, da diese Sache noch etwas neuer für ihn war und mehr auf Mutmaßungen beruhte; und seit Edwards Besuch hatten sie niemals zusammen gespeist, ohne daß er so bedeutsam und mit vielem Nicken und Zwinkern auf ihren Liebsten trank, daß es die allgemeine Aufmerksamkeit erregen mußte. Der Buchstabe F war ebenfalls beständig erwähnt worden und hatte sich als sehr ergiebig für so unzählige Scherze erwiesen, daß er, im Zusammenhang mit Elinor, schon lange in dem Ruf stand, der witzigste Buchstabe des Alphabets zu sein.
    Die Misses Steele hatten nun, wie sie es erwartete, den ganzen Nutzen von diesen Witzeleien, und die ältere machten sie neugierig, den Namen des Herrn zu erfahren, auf den man anspielte – und daß sie diese Frage oft in zudringlicher Weise vorbrachte, paßte durchaus zu ihrem gewöhnlichen Bestreben, etwas über die Angelegenheiten der Familie zu erfahren. Doch Sir John spielte nicht lange mit dieser Neugier, die zu wecken ihm Vergnügen machte, denn er hatte mindestens ebensoviel Spaß daran, den Namen preiszugeben, wie Miss Steele, ihn zu hören.
    »Sein Name ist Ferrars«, sagte er in sehr hörbarem Flüsterton; »aber bitte nicht verraten, es ist ein großes Geheimnis.«
    »Ferrars«, wiederholte Miss Steele, »Mr.   Ferrars ist also der Glückliche? Was! Der Bruder Ihrer Schwägerin, Miss Dashwood? Ganz gewiß ein sehr liebenswürdiger junger Mann, ich kenne ihn sehr gut.«
    »Wie kannst du das sagen, Anne«, rief Lucy, die gewöhnlich allen Erklärungen ihrer Schwester etwas hinzuzusetzen hatte. »Wenn wir ihn auch ein- oder zweimal bei meinem Onkel |141| gesehen haben, ist es reichlich übertrieben zu behaupten, daß du ihn sehr gut kennst.«
    Elinor lauschte diesem Gespräch voller Aufmerksamkeit und Verwunderung. Wer war dieser Onkel? Wo lebte er? Wie waren sie bekannt geworden? Sie wünschte sehr, daß dieses Thema fortgesetzt würde, wenngleich sie es vorzog, selbst nicht daran teilzunehmen; doch es wurde nicht mehr darüber gesprochen, und zum erstenmal in ihrem Leben fand sie Mrs.   Jennings’ Hang, unbedeutende Tatsachen in Erfahrung zu bringen und sie dann anderen mitzuteilen, unzulänglich. Die Art und Weise, in der Miss Steele über Edward gesprochen hatte, erhöhte noch ihre Neugier, denn sie war ihr ziemlich unfreundlich erschienen und legte den Verdacht nahe, daß diese Dame etwas Nachteiliges über ihn wußte oder zu wissen glaubte. Doch ihre Neugierde war fruchtlos, denn Mr.   Ferrars Name erfuhr von Miss Steele keine weitere Beachtung, wenn er von Sir John angedeutet oder sogar offen erwähnt wurde.

|142| Kapitel 22
    Marianne, die nie viel Nachsicht für jede Art von vulgärem und ungehörigem Benehmen, geistiger Unterlegenheit oder selbst für einen anderen Geschmack als den ihren hatte, war zu dieser Zeit aufgrund ihres Gemütszustandes besonders abgeneigt, an den Misses Steele Gefallen zu finden und ihre Annäherungsversuche zu ermutigen; und der beständigen Kälte in ihrem Benehmen gegenüber den beiden – die jeden Versuch zu einem vertrauten Umgang von ihrer Seite im Keim erstickte – schrieb Elinor den Vorzug zu, den sie
ihr
gaben und der bald in dem Verhalten der Schwestern offenbar wurde – besonders in Lucys, die keine Gelegenheit versäumte, sie ins Gespräch zu ziehen oder zu versuchen, durch die unbefangene und freimütige Mitteilung ihrer Ansichten ihre Bekanntschaft zu vertiefen.
    Lucy besaß eine natürliche Klugheit; ihre Bemerkungen waren oft wohlbegründet und amüsant; und als Gefährtin für eine halbe Stunde fand Elinor sie oft recht angenehm; doch ihre Fähigkeiten waren durch keine Bildung gefördert worden, sie war unwissend und unkultiviert, und ihr sehr enger geistiger Horizont, ihr Mangel an

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