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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Kenntnissen in den gewöhnlichsten Dingen konnten trotz ihrer ständigen Bemühungen, einen vorteilhaften Eindruck zu machen, vor Miss Dashwood nicht verborgen bleiben. Elinor sah die Vernachlässigung ihrer Fähigkeiten und bedauerte sie deshalb, da Bildung diese Fähigkeiten so achtenswert gemacht haben könnte; doch mit weniger Nachsicht erkannte sie, daß Lucy keinerlei Takt, Aufrichtigkeit und Anstand besaß, was ihre beharrlichen Aufmerksamkeiten, ihre Beflissenheit und ihre Schmeicheleien in Barton Park offenbarten; und Elinor konnte keine |143| dauerhafte Befriedigung an der Gesellschaft einer Person empfinden, die Unaufrichtigkeit mit Unwissenheit vereinte, deren mangelnde Bildung verhinderte, daß sie sich während ihres Zusammenseins auf gleicher Stufe unterhalten konnten und deren Verhalten gegenüber anderen jede Aufmerksamkeit und Achtung, die ihr selbst erwiesen wurden, vollkommen wertlos machte.
    »Sie werden meine Frage bestimmt seltsam finden«, sagte Lucy eines Tages, als sie zusammen von Barton Park zum Landhaus gingen, »aber sagen Sie mir bitte, sind Sie mit der Mutter ihrer Schwägerin, Mrs.   Ferrars, persönlich bekannt?«
    Elinor fand diese Frage in der Tat seltsam, und ihre Miene drückte das auch aus, als sie erwiderte, daß sie Mrs.   Ferrars nie gesehen habe.
    »Ach, wirklich nicht!« entgegnete Lucy, »das wundert mich aber, ich dachte, Sie hätten sie zuweilen in Norland gesehen. Dann können Sie mir wohl auch nicht sagen, was für eine Frau das ist?«
    »Nein«, erwiderte Elinor – die darauf bedacht war, ihre wahre Meinung über Edwards Mutter nicht preiszugeben, und nicht gerade den Wunsch hatte, eine offensichtlich ungehörige Neugierde zu befriedigen   –, »ich weiß nichts über sie.«
    »Sicher finden Sie es sehr sonderbar von mir, daß ich mich in solcher Weise nach ihr erkundige«, sagte Lucy, wobei sie Elinor aufmerksam ansah, »aber vielleicht gibt es ja Gründe dafür   ... ich wünschte, ich könnte es wagen   ...; aber ich hoffe, Sie werden so gerecht sein und mir glauben, daß ich nicht zudringlich sein möchte.«
    Elinor gab ihr eine höfliche Antwort, und sie gingen ein paar Minuten schweigend weiter. Lucy sprach zuerst wieder, indem sie das Thema erneut aufgriff und mit einigem Zögern sagte: »Ich kann den Gedanken nicht ertragen, daß Sie mich vielleicht für ungebührlich neugierig halten; nicht um alles in der Welt möchte ich, daß jemand – dessen gute Meinung mir so wertvoll ist wie die Ihre – das von mir denkt. Und ich hätte wirklich nicht die geringsten Bedenken, Ihnen zu vertrauen; |144| ich wäre in der Tat sehr froh über Ihren Rat, wie ich mich in einer so unangenehmen Lage wie der meinen verhalten soll; aber es gibt keinen Grund,
Sie
zu belästigen. Schade, daß Sie Mrs.   Ferrars nicht zufällig kennen.«
    »Es tut mir leid, daß dies nicht der Fall ist«, sagte Elinor sehr verwundert, »falls es von irgendwelchem Nutzen für Sie hätte sein können, meine Meinung über Mrs.   Ferrars zu hören. Aber wirklich, ich hatte keine Ahnung, daß Sie überhaupt in irgendeiner Verbindung zu dieser Familie stehen; deshalb bin ich, wie ich zugeben muß, ein wenig erstaunt, daß Sie sich so ernsthaft nach dem Charakter der Frau erkundigen.«
    »Das glaube ich gern, und ich wundere mich ganz und gar nicht darüber. Aber wenn ich den Mut hätte, Ihnen alles zu erzählen, wären Sie nicht so sehr überrascht. Mrs.   Ferrars bedeutet mir gewiß im Augenblick gar nichts – aber die Zeit mag kommen – wie bald sie kommen mag, hängt allein von ihr selbst ab   –, da wir vielleicht einmal sehr nahe verwandt sind.«
    Sie sah mit gewinnender Verschämtheit zu Boden, als sie das sagte, und warf nur einen kurzen Seitenblick auf Elinor, um die Wirkung ihrer Worte auf sie zu beobachten.
    »Du lieber Himmel«, rief Elinor, »was wollen Sie damit sagen? Sind Sie mit Mr.   Robert Ferrars bekannt? Kann das sein?« Und sie war nicht besonders erfreut bei dem Gedanken an eine solche Schwägerin.
    »Nein«, erwiderte Lucy, nicht mit Mr.
Robert
Ferrars – den habe ich noch nie im Leben gesehen; aber«, sie richtete ihren Blick fest auf Elinor, »mit seinem älteren Bruder.«
    Was empfand Elinor in diesem Augenblick? Ein Erstaunen, das ebenso schmerzlich wie stark gewesen wäre, hätte diese Behauptung nicht augenblicklich Zweifel in ihr geweckt. Sie wandte sich Lucy in schweigender Verwunderung zu, unfähig, den Grund oder den Zweck einer solchen Erklärung zu

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