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Versteckt

Versteckt

Titel: Versteckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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Eine hilflose Lüge.
    »Ich habe Steven gesehen …«
    Da brach sie zusammen. Ihr Körper zitterte. Sie war eiskalt, und ich spürte die harten, angespannten Muskeln unter ihrer Kleidung.
    Als sie die Fassung wiedererlangt hatte, drückte sie sich eng an mich. Ihr Gesicht glänzte. Sie sah zu mir auf. Die unergründlichen blauen Augen waren groß und wässrig und erinnerten mich an jenen Abend vor nicht allzu langer Zeit. Ich wusste, sie trauerte um Steven, und ich konnte nichts dagegen tun. Ich schien direkt in ihr plötzlich erwachsen gewordenes Herz blicken zu können. Dort sah ich Angst und Mitleid und großen Schmerz.
    »Du hast mich gesucht.«
    »Wir beide.«
    Dann sprudelte es nur so aus ihr heraus. Wie sie im ersten Tunnel auf mich gewartet hatte, bereit, mir mit der Taschenlampe ins Gesicht zu leuchten und mir einen Heidenschreck einzujagen. Daher hatte sie dieses Ding auch nicht kommen sehen. Es hatte sie geschnappt, ihre Schulter gepackt. Ein mächtiger, brutaler schwarzer Schemen inmitten der anderen Schatten.
    »Ich konnte nicht mal mehr um Hilfe rufen«, sagte sie. »Ich wollte ja. Weiß Gott, ich wollte kämpfen, ihn von mir wegdrücken und … und … und dann konnte ich nicht mal mehr das. Irgendwann hab ich aufgegeben, und er hat mich … mitgeschleift … und ich konnte nur daliegen und ihn anstarren. Ich war so schwach wie ein Baby. Und dann war da etwas Heißes, heiß und rot, überall an meinem Körper, und da bin ich wohl ohnmächtig geworden. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass mich ein Druck geweckt hat, ein Druck auf meine Schulter. Und da war er und hat nach mir geschnappt, direkt vor meinem Gesicht … hat er mit den Zähnen geschnappt. Dieses Geräusch!«
    »Wo ist er jetzt?«, fragte ich. »Hast du ihn gesehen?«
    »Sie haben ihn … da durchgeführt.« Sie deutete auf die gegenüberliegende Wand, wo sich ein weiteres Loch befand. »Ich glaube, dieser Gang führt zum Meer. Als ich hier lag, konnte ich es riechen.«
    »Sie?«
    Mir fiel das kalte, heisere Lachen wieder ein.
    »Case, ist es Mary?«
    »Es sind beide. Glaube ich zumindest. Ich war nicht ganz … bei mir. Es sind eine Frau und ein Mann. Wer sollte es sonst sein?«
    »Ben und Mary Crouch. O Gott!«
    »Sie sind grässlich, Dan. Und dieses Ding. Ich hab Steven gesehen. Der Hund hat ihn aufgehoben und mitgeschleppt wie … eine Puppe. Und seine … Teile von ihm … hingen heraus …«
    »Nicht.«
    »… hingen aus ihm heraus, schleiften über den Boden …«
    »Hör auf, Case!«
    Sie sah mich an. Sie war nicht aufgrund des Blutverlustes, sondern aus Furcht so blass. Ihre Augen quollen vor Angst über.
    Der Todestrieb in ihr war tot, und ich würde ihn nicht vermissen. Stattdessen waren da nur noch Trauer und eine grimmige Entschlossenheit. Und die Verantwortung für mich, für das, was Steven zugestoßen war, für sich selbst. Sie riss sich zusammen. Sie hatte mit der Vergangenheit abgeschlossen. Ich sah ihr in die Augen und versuchte, Hoffnung in meine eigenen zu legen, eine Hoffnung, die ich selbst kaum verspürte, eine Stärke, die ich nur aufbrachte, indem ich nicht daran dachte, wo wir uns befanden und wie wir dorthin gekommen waren.
    Plötzlich war ich der Zyniker. Nicht mehr sie.
    Sie versuchte zu lächeln, und einen tapferen Augenblick lang gelang ihr das auch. Ich hätte vor Freude glatt losheulen können. Alles Draufgängertum war verschwunden, stattdessen flammte wieder echter Mut in ihr auf, rein und unverfälscht und ansteckend.
    »Wo ist Kim?«
    »Sie holt die Polizei. Sie ist mit dem Auto losgefahren.«
    Sie nickte. »Kannst du gehen?«
    »Glaub schon.«
    »Versuch’s.«
    Sie stand auf. Ich stützte mich auf Händen und Knien ab und griff nach ihrer unverletzten Schulter, zog mich hoch und belastete vorsichtig das Bein mit der Bisswunde. Ein ziehender Schmerz durchfuhr mich vom Knie bis zum Knöchel, doch das Bein gab nicht nach. »Alles klar«, sagte ich.
    Ich griff nach der Mistgabel, und der Schmerz wanderte vom Bein hinauf bis in die Schulter. Ich schrammte um Haaresbreite an einer Ohnmacht vorbei. Was für ein blöder Fehler! Sie streckte die Hand aus, um mich zu stützen, bis der Schmerz einigermaßen erträglich war. Dann reichte sie mir die Mistgabel. Mit einer Hand.
    »Warum haben sie die hiergelassen?«
    »Ich glaube, dein Freund Rafferty hatte recht«, sagte sie. »Sie sind dumm. Sie haben uns verwundet und rechnen nicht damit, dass wir zu irgendwas in der Lage sind.«
    »Und deshalb sind sie

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