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Versteckt

Versteckt

Titel: Versteckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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dumm?«
    »Ja, genau.«
    Sie hätte fast gelächelt.
    »Deine Schulter sieht ziemlich schlimm aus.«
    Und nicht nur die Schulter. Auch ihr Oberarm war übel zugerichtet und blutete.
    »Ich spüre fast nichts. Wahrscheinlich die Nerven. Ich kann ihn nicht bewegen, Dan.«
    »Dann versuch’s erst gar nicht. Machen wir, dass wir hier rauskommen.« Ich lauschte. »Sie sind alle drei da durch?«
    »Nein. Nur die Frau und der Hund. Wo der Mann … wo Ben ist, weiß ich nicht.« Sie runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Ich glaube, er ist zum Haus zurück. Ich bin mir nicht sicher.«
    »Denk nach. Das ist wichtig.«
    »O Gott.«
    »Streng dich an, Case.«
    »Okay. Ja. Also. Da war ein Schatten. Eine Bewegung. Ja. Er ist im Haus, Dan.«
    »Scheiße. Wahrscheinlich sieht er nach, ob da noch mehr von uns sind. So oder so, wir stecken in der Klemme.«
    »Er ist groß, Dan. Riesig.«
    »Na toll. Wunderbar. Okay, denken wir nach. Bis zum Haus ist es weit, und der Weg führt größtenteils durch enge Gänge. Ben ist mit Sicherheit vor uns. Wenn Mary und dieses Ding zurückkommen, um nach uns zu sehen, haben wir sie im Rücken. Das gefällt mir gar nicht.«
    »Aber der Hund, Dan.«
    »Wir wissen nicht, was in dieser Richtung liegt. Das Meer vielleicht …«
    »Das ist ziemlich nahe, glaube ich.«
    »Und Mary und der Hund sind da auch irgendwo. Was meinst du?«
    »Dan?«
    »Was?«
    Sie zögerte. »Ich wollte dir gerade sagen, dass ich dich liebe. Vielleicht ist es aber auch nur Dankbarkeit. Echte Dankbarkeit.«
    »Egal, was es ist, ich freue mich darüber.«
    »Wirklich?«
    »Ja.«
    Sie kroch leise auf die Taschenlampe zu, hob sie auf und kehrte zu mir zurück. Dann sah sie mich einen Augenblick lang an.
    »Es ist Liebe«, sagte sie. »War es immer.«
    »Ich weiß. Bei mir auch.«
    Wir standen nur da, berührten uns nicht einmal.
    Was für eine beschissene Situation, um zu begreifen, wie schön das Leben sein kann. Dennoch war ich froh, es erfahren zu haben.
    Wir ließen das Samenkorn dieser Erkenntnis einen Moment sprießen, obwohl wir die Ernte daraus vielleicht nicht mehr einfahren würden. Sie lächelte ein wenig reumütig, doch auch voller Freude. Langsam und sanft sank sie in meine Arme.
    »Ich will diesen Hund nie wieder sehen«, sagte sie. »Komme, was wolle.«
    »Die gute alte Casey.«
    Ich hielt sie ganz fest. Sie wieder loszulassen verursachte einen fast körperlichen Schmerz.
    Ich nahm ihr die Taschenlampe ab und fand mit ihrer Hilfe Stevens Axtgriff. Casey hob ihn wortlos auf. Wir nahmen uns bei den Händen und drehten uns langsam um.
    Wir waren nicht die Ersten, die hier durchgekommen waren.
    Sie warteten auf uns – zwei menschliche Skelette im Dunkel des Tunnels. Ihre Kleidung war längst zu Fetzen über den zerbrochenen, morschen Knochen verfault.
    Es war unmöglich zu sagen, ob der Hund sie getötet oder sich erst nach ihrem Tod über sie hergemacht hatte. Die Bissspuren an den Knochen waren jedenfalls deutlich zu erkennen. Bei einem Skelett lagen die Beine ein paar Schritte vom restlichen Körper entfernt. Das linke Schienbein war glatt durchgebissen und gesplittert wie ein Stück sprödes Holz. Auch an den Schädeln befanden sich Zahnspuren.
    Das Gehirn soll ja ein echter Leckerbissen sein.
    Letzten Endes hatten Ben und Mary doch noch ihr Geheimnis preisgegeben. Sie waren mit ein, zwei Hunden geflohen. Und einer davon wurde sehr groß und sehr alt und hatte Menschenfleisch gekostet.
    Sie verschwanden durch das Loch in der Wand. Kamen nur manchmal daraus hervorgekrochen, um sich Vorräte zu beschaffen. Und als man es zumauerte, brachen sie es wieder auf.
    Sie lebten hier unten wie Tiere. Man konnte sich leicht vorstellen, wie sie sich in den Höhlen versteckten, alles Essbare sammelten, nachts die Strände absuchten, während die Gespensterkrabben, im Mondlicht so weiß wie Wachs, vor ihnen davonhuschten. Sie plünderten Möwennester und stellten Fallen entlang der Küste auf. Eine streunende Katze hier, ein herrenloser Hund dort. Immer auf der Flucht vor der Welt dort draußen, ihrem unerbittlichen Feind. Und ihre Armee bestand aus schwarzen, kräftigen Kiefern.
    Die Skelette waren nicht besonders groß. Eines steckte noch in einer fadenscheinigen Jeans.
    Es waren möglicherweise noch Kinder, nicht älter als wir. Eher jünger.
    Kinder.
    Ich fragte mich, ob der Mann oder die Frau oder der Hund sie umgebracht hatte. Ob sie sich gewehrt hatten, ob sie einen ähnlichen Tod wie Steven gestorben waren? Ich

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