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Versteckt

Versteckt

Titel: Versteckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Ketchum
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abgerissen, der Stoff dunkel von Blut. Auch auf dem blauen Top darunter und auf den beigen Shorts, auf ihren Beinen und ihrem nackten Bauch glänzte Blut. Ihr Gesicht war sehr blass.
    Der große schwarze Hund sprang plötzlich los und schnappte direkt vor ihrem Gesicht zu. Es klang, als würde man zwei Hartholzstöcke aufeinanderschlagen. Ihre hellblauen Augen flatterten wie gefangene Vögel.
    Wir blieben wie erstarrt stehen.
    Allein seine Größe war beeindruckend.
    Ich beobachtete, wie sich die Rückenmuskeln zusammenzogen und wieder entspannten. Er war so faszinierend wie eine Giftschlange.
    Er schnappte noch einmal nach ihr und riss ein Stück Ärmel vom Armeehemd, als wäre es aus Papier. Man konnte erkennen, wo er sie an der Schulter gepackt und mitgezerrt hatte. Ihr nackter weißer Arm hing nutzlos herab.
    Aus einer Wunde an ihrem Oberarm quoll frisches Blut, wo vorher noch keines gewesen war.
    Er hatte mehr als nur ein Stück Ärmel abgerissen.
    Ich hatte eine sehr deutliche Vorstellung davon, wie dieses Spielchen enden würde.
    Also trat ich in Aktion. Auftritt des Helden.
    »Hey!«, sagte ich.
    Mit einer Unverfrorenheit, die selbst mich erschreckte, genau wie das Echo meiner heiseren Stimme. Hey. Idiotisch, aber mehr brachte ich nicht heraus. Der Rest blieb mir im Halse stecken.
    Der Hund drehte sich um.
    Das heißt – zunächst nur sein Kopf.
    Ein quadratischer schwarzer Kopf auf einem Hals, der so dick wie ein Birkenstamm war. Ich hatte ausgewachsene Hunde gesehen, die nicht annähernd so groß wie dieser Schädel waren. Mit einem Mal fühlte ich mich sehr schwach.
    Die milchigen schwarzen Augen suchten den Raum ab.
    Grauer Star, dachte ich. Er ist so gut wie blind. Es war ein alter Hund, auf seinem Fell zeigten sich graue Flecken. Mir fiel ein, dass alte, kranke oder blinde Raubtiere am gefährlichsten waren, denn sie machten Jagd auf alles – sogar auf Menschen.
    Er verzog die Schnauze zu einem Grinsen. Sein Knurren klang wie leises Donnergrollen. Seine gewaltigen gebogenen Fangzähne waren länger und dicker als mein Daumen. Mindestens zehn Zentimeter. Dazwischen befanden sich zwei Reihen kleinerer scharfer Zähne, mit denen er seine Beute festhalten und zerreißen konnte, dahinter folgten die großen stumpfen Backenzähne. Ich stand einer wütenden Killermaschine mit ausgebleichtem Fell und den langen grauen Narben vergangener Kämpfe um die Schnauze gegenüber.
    Ich spürte, wie sich sein halb blinder Blick wie ein bohrender Wurm langsam auf mich zubewegte. Mir zitterten die Knie, und ich schwitzte.
    Er wandte sich nun vollständig um, mit einer Ruhe und Eleganz, die man einem so alten Tier nicht zugetraut hätte. Sein Vorderkörper dehnte sich wie die Schnur einer großen schwarzen Peitsche. Jetzt wirkte er noch viel gewaltiger – von der Spitze der flachen schwarzen Nase bis zum Schwanzansatz maß er gut und gerne eineinhalb Meter. Wenn er sich auf die Hinterbeine stellte, würde er annähernd zwei Meter erreichen. Er war so groß wie ein Bär.
    Heute glaube ich, dass es ein Mischling war. Der Kopf erinnerte an eine Dänische Dogge, die Schultern an einen Wolf.
    Die Mistgabel und der Axtgriff wirkten wie Spielzeuge.
    Und wir wie Spielzeugsoldaten.
    Kein Axtgriff der Welt konnte diesen Schädel einschlagen. Kein lächerliches Gartengerät dieses Fell durchbohren. Mein Gehirn verglich automatisch unsere Größe und Kraft mit der dieses alten, kranken Hundes, und wir kamen nicht gut dabei weg.
    In seinen Augen lag ein fremdartiger Wahnsinn.
    Er würde uns wie Fliegen zerquetschen.
    Ich hatte eine fast abergläubische Angst vor ihm. Das Echo meiner Stimme hallte noch immer durch den Raum.
    Hey.
    Was, wenn noch mehr von seiner Sorte hier herumschlichen?
    Ich spürte, wie Steven neben mir erstarrte.
    Der Hund sah uns mit gesenktem Kopf an. Die schwarzen Augen wanderten von einem zum anderen, musterten uns mit einer beiläufigen, schrecklichen Gelassenheit, während er langsam eine Entscheidung traf.
    Mit einem Mal wurde mir klar, dass er uns erwartet hatte. Obwohl wir gegen den Wind gegangen waren, hatte er uns gewittert. Er hatte es nicht eilig. Wir stellten keine Gefahr für ihn dar. Er musste nur entscheiden, wen er sich zuerst vornahm. Und er konnte sich Zeit dabei lassen.
    Der Hund geiferte.
    Aus Vorfreude.
    Ich hatte genug Hunde beobachtet, um zu wissen, was als Nächstes passieren würde. Er würde seine angespannte, fast hölzerne Haltung aufgeben und lässig, fast liebenswert auf uns zutraben

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