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Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)

Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)

Titel: Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt , Giovanni di Lorenzo
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reden mit einem Hamburger, der stolz darauf ist, dass seine Heimatstadt eine ähnliche Tradition gemeinnütziger Stiftungen hat, wenn auch in sehr viel kleinerem Maßstab als die USA. Die Hamburger sind ja vor allem Einzelkaufleute oder Einzelreeder gewesen, aber sie haben Krankenhäuser gestiftet, sie haben das Rauhe Haus gestiftet, um verwaisten Kindern zu helfen, sie haben Altersheime gestiftet. In meiner Kinderzeit sagte man noch von einer alten Dame, die in so ein Heim ging: Sie ist ins Stift gegangen.
    Sie haben Eigentümer von Unternehmen immer höher geschätzt als angestellte Manager. Warum?
    Weil die Eigentümerunternehmer nach meiner Lebenserfahrung im Durchschnitt sehr viel mehr Fingerspitzengefühl für das Wohl ihrer Angestellten und ihrer Arbeiter haben. Sie haben auch immer mehr Mitgefühl mit Leuten in Bedrängnis, und sie haben in viel höherem Maße als sogenannte Manager einen Teil ihres Vermögens in gemeinnützige Stiftungen eingebracht, ganz besonders in Hamburg.
    Dagegen kommen die sogenannten Ruhrbarone bei Ihnen sehr schlecht weg.
    Das stimmt. Sie haben sich in den sechziger Jahren, als wir eine Kohlebergbaukrise hatten, zum Teil sehr schlecht benommen. Damals wurden viele Pütts dichtgemacht, viele Zechen stillgelegt, weil die Ruhrbarone den Bundesverband der deutschen Industrie beherrschten und ihn im Interesse der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie politisch beeinflussten. Hinzu kam, dass einige von ihnen in der Öffentlichkeit unbescheiden auftraten. Sie produzierten sich zum Beispiel als Besucher bei den Bayreuther Festspielen und behängten dazu ihre Ehefrauen mit teurem Schmuck.
    Was in Hamburg ja absolut verpönt ist.
    Sie sagen es.
    Der Versandhausgründer Werner Otto wird von Ihnen geradezu als Lichtgestalt dargestellt.
    Lichtgestalt würde ich nicht sagen. Aber Werner Otto verkörpert jenen Unternehmertypus, den ich eben beschrieben habe: Er ist ein Eigentümerunternehmer mit großem sozialem Verantwortungsbewusstsein und einer sehr ausgedehnten privaten Stiftertätigkeit. Er ist übrigens vor wenigen Tagen 101 Jahre alt geworden.
    Sind Sie inzwischen selbst ein vermögender, ein reicher Mann?
    Nein, das bin ich nicht. Reich bestimmt nicht. Vermögend kann man mich nennen, durch die Erträge aus meinen Büchern.
    Ab wann ist man denn reich, Herr Schmidt?
    Dazu muss man entweder ein sehr erfolgreicher Eigentümerunternehmer oder aber ein gerissener Investmentbanker und Fondsmanager sein.
    Immerhin haben Sie fast eine Million Mark in Ihre eigene Einrichtung eingezahlt, die Deutsche Nationalstiftung.
    Ja, meine Frau und ich haben insgesamt mehrere Millionen für verschiedene Stiftungen aufgebracht. Wir wollten nie reich oder vermögend sein. Das Geld hat immer gereicht, und infolgedessen hat man nicht nach mehr gestrebt. Es ist reiner Zufall, dass sich gegen Ende meines Lebens meine Bücher so gut verkauft haben.
    Insofern wären Sie ein wunderbarer Fachmann für eine klassische Frage: Macht Geld glücklich?
    Ich glaube nicht. Wenn man aber gar kein Geld hat, dann kann das ins Unglück führen – es muss nicht, aber es kann.
    Das haben Sie in Ihrer Jugend noch kennengelernt.
    Ja, nach dem Krieg.
    Sind Sie für eine Vermögensteuer?
    Ich war empört darüber, dass die Vermögensteuer abgeschafft worden ist. Es war eine alte Steuer, und alte Steuern sind gute Steuern. Neue Steuern sind unerwünscht und lösen Streit aus. Dass ein Verfassungsrichter es fertiggebracht hat, dem Staat Auflagen zu machen, die praktisch dazu geführt haben, dass die Vermögensteuer als Ganzes wegfiel – das konnte ich ganz und gar nicht billigen.
    Sind Sie auch für eine Reichensteuer?
    Das Wort »Reichensteuer« will ich mir nicht zu eigen machen. Aber ich bin durchaus dafür, dass in der gegenwärtigen Situation, in der sich alle großen Staaten der Welt in hohem Maße haben verschulden müssen, um Banken und Versicherungen zu retten, die Spitzensteuersätze nach oben gezogen werden.
    Vorübergehend oder unbefristet?
    Ich würde meinen, ohne zeitliche Begrenzung – wohl wissend, dass die Steuern dann später auch wieder gesenkt werden, das zeigt die bisherige Erfahrung. Die Spitzensätze sind in Deutschland, aber auch in Amerika und in anderen Staaten, im Laufe der neunziger Jahre und zu Beginn dieses Jahrhunderts gesenkt worden.
    Auch von Sozialdemokraten.
    Auch von Sozialdemokraten. Das weiß ich wohl.
    Dass die »oberen Zehntausend« in Deutschland die größte Steuerlast tragen und erheblich

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