Verstohlene Blicke - Erotischer Roman
Haar. In der Hand hielt er eine Plastiktüte von ALDI. Sollte sie anhalten und ihr zu Hilfe eilen? Vielleicht war das ein Überfall, und der Alte erhoffte sich Geld von ihr? Oder war er wütend, weil Evelyn ihm eine Münze verweigert hatte, als er sie anbettelte? Mittlerweile war Katrin an den beiden vorbei und konnte das Geschehen nur durch den Rückspiegel beobachten. Noch immer folgte der Mann Evelyn und redete wild gestikulierend auf sie ein. Auch andere Passanten waren aufmerksam geworden. Ein Mann sprach die beiden sogar an. Drohend schwenkte der Alte seine Faust in die Richtung Evelyns und des Passanten.
Fast wäre Katrin auf einen vor ihr haltenden Wagen aufgefahren. Erschrocken trat sie auf die Bremse, konzentrierte sich auf den Verkehr und suchte nach einer Parklücke, die es jedoch, wie fast immer hier, nicht gab. Sie würde noch einmal um den ganzen Block herumfahren müssen und hoffte, in einer der Seitenstraßen einen Parkplatz zu finden. Es war zwar toll für Linda, so nah am Zentrum zu wohnen, doch parkplatztechnisch war es eine Katastrophe.
Als Katrin endlich einen Platz gefunden hatte, wo sie ihren Corsa abstellen konnte, hatte sie die beiden Streithähne vergessen und dachte an das bevorstehende Gespräch und das, was sie ihrer Freundin Tröstendes sagen konnte. Das Wellnesswochenende konnten sie nun sicher abschreiben. Ebenso wie die geplante gemeinsame Fitnessstunde bei Linda. Diesen Raum, in dem sie mit Tom so heiße Minuten erlebt hatte, würde Linda sicher einige Zeit nicht mehr betreten können.
Doch wenn Katrin eines wusste, dann das: Mit der Zeit würde auch diese Episode aus Lindas Gedächtnisspeicher gelöscht oder überlagert werden von anderen, freundlicheren Erinnerungen. So war es bei ihrem Mann gewesen, dessen plötzlicher Tod Lindas Leben von einem auf den anderen Tag völlig auf den Kopf gestellt hatte. So würde es erst recht mit einem Mann passieren, den sie nur von ein paar kurzen Augenblicken kannte. Doch, und das wusste Katrin ebenso, für derartige Plattitüden würde Linda im Moment nicht empfänglich sein. Denn obwohl es eine Binsenweisheit war, dass die Zeit alle Wunden heilte, für die Betroffenen konnte das im Moment ihres Schmerzes in den seltensten Fällen ein Trost sein.
Cordula
Sie hatte noch eine halbe Stunde Zeit, bevor Frau Schüssler kam, um mit ihr die Vorgehensweise im Fall des Sorgerechts für ihre beiden Kinder zu besprechen. Cordula empfahl zwar so ziemlich allen Klienten, sich im Sinne des Kindeswohles mit dem Expartner auf ein gemeinsames Sorgerecht zu verständigen, doch es gab leider immer noch einige Frauen, denen es in erster Linie darauf ankam, ihren Exmann dafür zu bestrafen, dass er sie verlassen oder betrogen hatte. An die Kinder dachten sie dabei eher selten.
Um die Zeit nicht in der Kanzlei verbringen zu müssen, und weil sie noch ein paar Minuten über das nachdenken wollte, was sie bei Linda erfahren hatte, begab sie sich in das kleine Café gegenüber der Kanzlei, in dem sie auch oft am Mittag eine Kleinigkeit zu sich nahm. Sie saß kaum, als eine Frau durch die Tür kam, die sie kannte. Das war doch Lindas alte Freundin. Wohnte sie eigentlich immer noch bei ihr? Heute hatte sie sie jedenfalls nicht gesehen.
Evelyn hatte sie bemerkt und steuerte auf ihren Tisch zu. Nicht auch das noch! Ich will meine Ruhe und keinen gezwungenen Small Talk machen! Doch die Höflichkeit siegte, als Evelyn fragte, ob sie sich zu ihr setzen dürfe.
Um das Schweigen zu beenden, fühlte sich Cordula bemüßigt, ein Gespräch in Gang zu bringen. »Sie sind eine Jugendfreundin von Linda, habe ich gehört? Seit wann kennen Sie sich denn?«
»Seit der fünften Klasse. Meine Familie ist damals hierher nach München gezogen, und ich war neu in der Schule. Linda hat mir ein wenig geholfen, mich zurechtzufinden. Und dann sind wir Freundinnen geworden.«
Die Kellnerin brachte ihre Getränke. Auch Evelyn hatte Latte Macchiato bestellt. Vorsichtig rührten sie um und löffelten den Milchschaum herunter.
Eigentlich ist sie ganz sympathisch. Vielleicht ein wenig unbeholfen. »Dann haben Sie sicher eine ganze Menge zusammen erlebt, immerhin ist die Jugendzeit eine sehr wichtige Phase.«
»Ja, das kann man wohl sagen. Wir hingen wirklich ständig zusammen, ich war quasi bei Linda zu Hause, ihre Mutter hat mich wie ihre eigene Tochter behandelt.«
Beneidenswert! So eine Freundin hätte ich auch gern gehabt!
Schweigend tranken sie den heißen Milchkaffee. Cordula sah
Weitere Kostenlose Bücher