Verstohlene Blicke - Erotischer Roman
sich zu orientieren und die Person, die da im Türrahmen stand, mit ihrer gegenwärtigen Wirklichkeit in Verbindung zu bringen. Eine Person, die auch damals wichtig für sie gewesen war. Sehr wichtig. Und der sie Unrecht getan hatte. Ein Unrecht, dass sie jetzt sühnen musste. Evelyn.
»Wie siehst du denn aus? Geht’s dir nicht gut?« Evelyn legte Linda ihre Hand auf die Schulter. Das wärmende Gefühl, das ihren steifen Körper durchdrang, tat gut. Die Anwesenheit eines Menschen tat gut.
Dankbar blickte sie die alte Freundin an. »Es geht schon wieder, danke. Könntest du vielleicht frischen Kaffee kochen?«
»Klar, mach ich gerne. Wer hat denn vorhin geklingelt? So früh schon Besuch?«
Linda überlegte, wie viel sie Evelyn anvertrauen sollte. Da war immer noch so ein diffuses Gefühl der Fremdheit, des Misstrauens, der Vorsicht. Schnell wischte sie die Bedenken weg. Du hast schon einmal zugelassen, dass sie zu Unrecht verdächtigt wurde. Jetzt mach nicht denselben Fehler!
»Das war die Polizei. Ein Bekannter ist erschossen worden.«
Evelyn, die gerade dabei war, Wasser in den Behälter einzulassen, drehte sich abrupt um. Ein Schwall Wasser schwappte auf den Fußboden. »Waaaaas?«
Linda zuckte müde mit den Schultern. »Ich weiß auch nicht mehr. Und eigentlich kannte ich ihn nicht wirklich.« Sie war Evelyn dankbar, dass sie nicht weiter nachhakte.
Als die Kaffeemaschine zu blubbern anfing, setzte sich Evelyn an den Tisch, Linda gegenüber. »Und, haben sie schon einen Verdacht?«
»Natürlich nicht, oder besser gesagt: Ich weiß es nicht.«
Die Frauen warteten schweigend, bis der Kaffee durchgelaufen war.
Evelyn stand auf und stellte zwei frische Tassen auf den Tisch. Sie nahm die Milchtüte aus dem Kühlschrank und stellte die Zuckerdose hin. Dann schenkte sie Linda und sich selbst ein und setzte sich wieder. »Es tut mir leid, dass ich immer noch nicht weg bin, aber ich habe heute zwei Termine, um mir eine Wohnung anzuschauen. Vielleicht wird es ja was.«
Linda winkte ab. »Schon gut, kein Problem. Und wie gesagt: Wegen dem Geld reden wir noch mal.«
Es klingelte und beide Frauen fuhren erschreckt zusammen.
»Das wird Katrin sein«, vermutete Linda. »Oder Cordula.«
Über Evelyns Gesicht huschte ein Schatten der Enttäuschung. »Ich muss sowieso los, hab heute Frühdienst.« Sie trank ihre Tasse aus und stellte sie in die Spülmaschine. Dann beugte sie sich zu Linda herunter, die noch immer regungslos auf ihrem Stuhl saß, und drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel. »Danke.«
»Schon gut. Einen schönen Tag.« Langsam erhob sie sich und ging zum Türöffner. Dann straffte sie ihre Schultern und erwartete ihre Freundinnen.
Die gute Linda. Weiß immer noch nicht, wer gut für sie ist. Genauso wie damals dieser Junkie. Der sie nur ausgenutzt hat. Nach Strich und Faden verarscht. Ich war abgeschrieben, jede freie Minute hing sie in seiner versifften Bude rum. Hat davon geträumt, ihn zu retten. Und hat es für die große Liebe gehalten. Lächerlich! Eigentlich müsste man annehmen, mittlerweile würde sie sich ihre Freunde sorgfältiger aussuchen. Lebenserfahrung, Menschenkenntnis und so. Stattdessen lässt sie so einen Typen an sich ran. Der seinen Schwanz in alles reinsteckt, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist. Und was dafür bezahlt. Egal, ob Männlein oder Weiblein, egal, ob jung oder alt. Dass sie sich nicht schämt! Aber jetzt bin ja ich da, ich werde schon auf sie aufpassen. Und die beiden Tussis, die sie für ihre Freundinnen hält, die nehme ich mir auch noch vor. Sie wird schon noch erkennen, wer ihre wirkliche Freundin ist.
Katrin
Katrin hielt Ausschau nach einem Parkplatz. Plötzlich blieben ihre Augen an einer bekannten Gestalt hängen. Das war doch diese ominöse alte Freundin. Evelyn. Was tat sie da mit diesem Typen? Katrin spähte angestrengt durch die Seitenscheibe und reduzierte das Tempo auf gerade noch akzeptable Geschwindigkeit. Vorsorglich blinkte sie rechts, um dem nachfolgenden Verkehr zu signalisieren, dass sie am Straßenrand parken wollte.
Evelyn schien mit dem Mann in heftigem Streit zu liegen. Fast konnte Katrin hören, wie die beiden sich lauthals anschrien. Der Mann fasste Evelyn an der Jacke und es gab eine Rangelei. Doch Evelyn konnte gut austeilen und schubste den Typen fast auf die Straße. Der Mann schien um einiges älter zu sein als Evelyn, und er wirkte ziemlich abgerissen. Fast wie ein Penner. Unrasiert, mit strähnigem, viel zu langem grauen
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