Verstohlene Blicke - Erotischer Roman
Option.
»Könntest du heute mal einkaufen, ich werde ganz sicher nicht dazu kommen. Dann könnten wir vielleicht heute Abend mal zusammen was kochen.« Ein weiterer Punkt, der Cordula störte. Michael ließ es sich bei ihr gut gehen. Trieb ihre Wasserrechnung in die Höhe und bediente sich ungeniert aus ihrem Kühlschrank. Doch eingekauft hatte er bis jetzt noch nicht; auch Geld hatte er ihr noch nicht gegeben. Glaubt der etwa, ich betreibe eine Armenspeisung?
Michael schaute sie etwas verblüfft an und nuschelte mit vollem Mund Unverständliches.
Cordula beschloss, sich überraschen zu lassen. Wenn nichts im Haus ist, bestelle ich auf seine Kosten den Pizzaservice!
Mit einem Kuss verabschiedete sie sich von ihrem derzeitigen Mitbewohner und eilte in die Garage zu ihrem Auto. Irgendwie war sie gerade dabei, einen Fehler zu machen. Doch mit diesem Problem konnte sie sich später beschäftigen, jetzt galt es erst einmal, ihrer Freundin beizustehen.
Linda
Noch immer saß Linda im Bademantel in der Küche, der Kaffee in ihrer Tasse längst kalt. Sie stierte vor sich hin, und vor ihrem inneren Auge liefen immer wieder Szenen ab, die sie längst vergessen zu haben glaubte. Sie sah sich die verdreckte, stinkende Wohnung betreten, in der Ben, ihr erster richtiger Freund, eine Bleibe gefunden hatte. Hier, auf dem schmuddeligen Bett hatte sie ihre Jungfernschaft verloren. Er war der Erste gewesen, der sie begehrt hatte. Den ihr strähniges Haar, ihre knochige Figur und die fehlenden weiblichen Attribute nicht gestört hatten. Als sie entdeckt hatte, dass er Drogen nahm, sich sogar spritzte, war sie anfangs entsetzt gewesen, dann jedoch dazu übergegangen, sich einzubilden, er habe nur auf sie gewartet, damit sie ihn von der Sucht heile. Sie war sich enorm wichtig vorgekommen, hatte allen Ernstes geglaubt, ihr würde gelingen, was zwei Entziehungskuren nicht geschafft hatten. Schließlich liebte er sie, das würde seinen Willen stärken. Sie war 16 gewesen, hatte vom Leben, den Männern und ihren leeren Versprechungen keine Ahnung gehabt. Sie wollte nur weg von zu Hause. Von ihrem Vater, der sie kaum wahrnahm, von dem sie sich immer nur als kleines Kind gesehen fühlte, nicht als die Frau, zu der sie allmählich wurde. Und ihre Mutter? Schwach und verhuscht, ihrem Mann stets in allem zu Diensten und zu Willen.
In der Beziehung zu Ben fühlte Linda sich wichtig, wichtig für ihn, überlebenswichtig. Gut, sie stahl hier und da Sachen, um sie zu verkaufen und ihm Geld für seine Trips zu verschaffen. Sie tat es nicht gern, doch es musste sein. Sie konnte ihn doch nicht im Stich lassen, jetzt, da er endlich jemanden gefunden hatte, der sich um ihn kümmerte.
Linda sah wieder, wie sie die Tür aufschloss. Sie besaß einen Schlüssel, damit sie im Notfall jederzeit hineinkonnte – was für eine Art Notfall das sein könnte, hatte sie sich damals gar nicht gefragt. Sie sah sich ins Schlafzimmer gehen, weil das Wohnzimmer leer war und Ben sowieso fast immer im Bett lag, wo er las und Musik hörte oder auf seiner Gitarre herumklimperte. Doch diesmal tat er nichts von alldem. Diesmal lag er bewegungslos auf dem Rücken und starrte aus offenen Augen an die fliegenverseuchte Decke. In seiner linken Armbeuge steckte eine Spritze, der Gummischlauch war noch um den Oberarm geknotet. Linda sah sofort, dass er nicht bloß an einem anderen Ort war. An einem Ort, von dem er hinterher, wenn er wieder in dieser Welt angekommen war, voll Begeisterung erzählte, über bunte Lichter und Töne und Gefühle, die so intensiv waren, dass sie mit nichts Irdischem verglichen werden konnten. Komm doch einmal mit! , hatte er sie oft gelockt, doch Linda hatte zu viel Angst gehabt, wollte nicht zu dem werden, was Ben geworden war: Ein Zombie, der nur in seinen Trips lebte und für den alles andere – außer vielleicht sie selbst – unwichtig geworden war.
Linda beugte sich über ihn und legte ihr Ohr an seinen Brustkorb. Wie erwartet hörte sie nichts. Sie war erstaunt, wie emotionslos sie war. Als hätte sie dieses Ende in ihrem Innersten immer erwartet. Sie fasste nichts an, ließ die Spritze, wo sie war und verschwand aus der Wohnung. Von einer Telefonzelle rief sie anonym die Polizei an und meldete den Toten.
Das war Toter Nummer eins. Dann dein Mann. Und jetzt Tom. Du bist eine Gottesanbeterin. Du solltest keinen Mann mehr an dich ranlassen!
Das Geräusch der sich öffnenden Küchentür ließ sie aufschrecken. Sie brauchte eine Weile, um
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