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Verstoßen: Thriller (German Edition)

Verstoßen: Thriller (German Edition)

Titel: Verstoßen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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gerieten normalerweise nicht in Spionageverdacht«, fuhr Jeanny fort. »Sie kamen in aller Öffentlichkeit über die Grenze, man kannte ihren Aufenthaltsort, sie hatten einen guten Grund, hier zu sein. Es war die perfekte Tarnung. Und dein Vater war nur allzu gern bereit, dabei behilflich zu sein.«
    »Was für Informationen suchten sie denn?«
    »Alles Mögliche. Über Wirtschaftsfirmen, Chemie, Politik, Waffen. Deine Generation hat das nicht miterlebt, aber du darfst nicht vergessen, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen den Menschen vor und hinter dem Eisernen Vorhang so gut wie keinen Kontakt gab. Internet oder Handys waren noch nicht erfunden. Die Grenzen wurden streng bewacht, und Reisende mussten bei jedem Grenzposten ihren Pass vorzeigen. Von freiem Reiseverkehr zwischen Ost und West konnte keine Rede sein. Der gegenseitige Argwohn war enorm, und entsprechend groß war das Bedürfnis, sich gegenseitig in die Töpfe zu gucken. 1961 wurde die Berliner Mauer gebaut, ein Jahr später kam es zur Kuba-Krise. 1968 sind die Länder des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei eingefallen. Ich war damals schwanger mit dir. Sabine ging in die erste Klasse. Die ganze Welt war der reinste Hexenkessel, Susan, man rechnete ständig mit dem großen Knall. Die Amerikaner waren in Vietnam, China war mit Atomversuchen zugange … es konnte jeden Augenblick aus dem Ruder laufen.« Sie seufzte und gab Susans Hände frei. »Geran war von einem Freund angesprochen worden, der für einen Chemiekonzern arbeitete. Der war seinerseits mit der Frage kontaktiert worden, ob er irgendwelche Künstler kannte, die kommunistisch eingestellt waren. Worum es ging, wurde ziemlich schnell klar. Sie waren auf der Suche nach Gastfamilien. Offiziell lief das alles unter dem Etikett ›Ideen- und Erfahrungsaustausch zwischen Künstlern aus Ost und West‹. Wir hatten genug Platz, und unser Haus lag ein Stück abseits der Straße in einer Waldschneise, sodass man ungestört bleiben konnte. Es war ideal. Dass dein Vater für den Kommunismus schwärmte, weißt du ja. Er hatte immer noch die Vorstellung, die Kommunisten wären auf dem Vormarsch, und er wollte einer der Ersten sein, sie hier zu begrüßen. Außerdem witterte er eine Chance voranzukommen. Er hoffte, dass er später, wenn es so weit wäre, in dem neuen kommunistischen
Staatsapparat eine wichtige Position bekleiden könnte. Also stimmten wir zu.«
    Susan blieb die Sprache weg. »Ich dachte … na ja, ich dachte immer, du wärest da gar nicht unbedingt einer Meinung mit ihm gewesen.«
    »Das kam erst später. Ich war noch so jung damals. Verblendet war ich. Ich liebte deinen Vater, von ganzem Herzen. Ich bewunderte ihn. Er hatte klare politische Vorstellungen und konnte sie mit Verve vermitteln. Ganze Abende haben wir durchdiskutiert, und ich fand ihn faszinierend. Er sah die Dinge klarer als die meisten. Um dir ein Beispiel zu geben: Religion, sagte er, sei ein Instrument der Herrschenden, mit dem sie ihr Volk klein hielten. Das war für mich damals eine Offenbarung. Ich hatte eine katholische Erziehung genossen und mir darüber nie Gedanken gemacht. Dein Vater sah solche Dinge anders als ich es gewohnt war, er betrachtete sie in einem anderen Licht. Das fand ich anziehend. Ich verließ mich auf sein Urteil und fügte mich seinen Entscheidungen blindlings.«
    Susan schwieg. Als die anderen Kinder aus ihrer Schule zur Erstkommunion gegangen waren, hatte sie deren Vorankommen als Zuschauerin verfolgt. Für sie hatte es keine Geschenke gegeben, keine Zeremonie, kein Festkleid, keine Feier. Sie hatte nicht dazugehört. Im Hause Staal war immer alles auf den harten, materialistischen Kern reduziert worden. Kahl und schnörkellos. Statt zu Gottesdiensten war ihr Vater lieber zu Elternabenden gegangen, um dort Diskussionen über das Schulsystem anzuzetteln, mit denen er nach und nach alle Lehrer gegen sich auf brachte. Das war in ihrer Schulzeit nicht ohne Auswirkungen auf sie geblieben: Susan Staal, die Kommunistentochter, das Kind dieses sonderbaren Künstlers. Es hatte sie schon früh zur Außenseiterin gemacht.
    »Aber dann ist irgendwas schiefgegangen, oder?«, fragte Susan.
    »In der Praxis wurde nicht viel aus seinen großen Entwürfen für eine neue Welt mit gleichen Chancen für alle. Schon kurz nachdem Sabine zur Welt gekommen war, zeigte sich im Grunde, dass er überhaupt nicht vorhatte, sich mit mir zusammen um das Kind zu kümmern. Er hatte als Inspirationsquelle seine

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