Verstoßen: Thriller (German Edition)
machte aber trotzdem keine Anstalten zu gehen. Das ärgerte ihn.
»Wann fahren wir los?«, fragte Sven.
Maier zog die Augenbrauen hoch. »Wir?«
»Ja.«
»Ich arbeite alleine.«
»Es ist mein Sohn.«
»Und mein Leben. Ich werde keine zusätzliche Verantwortung übernehmen. Dass du mir eine Waffe besorgt hast, war schon brenzlig genug.«
»Hör zu. Ob es dir passt oder nicht, ich fahre hin. Dann treffen wir eben dort aufeinander, und das kann böse enden.«
»Friendly fire«, sagte Maier zynisch.
»Ungefähr, ja. Denn so oder so: Ich fahre nach Paris.«
»Das ist Wahnsinn, Sven. Du hast überhaupt keine Erfahrung. Du machst dir keine Vorstellung davon.«
»Ich kann schießen. Und zwar gut.«
»Auf einem Schießstand. Das kann man nicht vergleichen.« Maier begann durch den Raum zu tigern. »Was bildest du dir ein? Dass die Typen sich für dich ordentlich in einer Reihe aufstellen? Meine Güte!«
Svens Miene verhärtete sich. »Ich bin kein Idiot. Ich weiß, was ich aufs Spiel setze, und ich hab was in der Birne, okay? Zu zweit kriegt man mehr gebacken als alleine. Logisch.«
»Kann sein, dass du erschossen wirst.«
»Ich weiß. Und wenn ich nichts tue, kann es sein, dass Thomas erschossen wird. Da brauche ich nicht lange zu überlegen, Sil. Da hab ich mich ganz schnell entschieden.«
Maier sah ihn eindringlich an. Sven war fest entschlossen. Dass sie sich über den Weg laufen würden, war dann durchaus kein theoretisches Risiko. Dass sie einander Schwierigkeiten machen würden, ebenso – obwohl es näherlag, dass Sven ihm Probleme bereiten würde. Wenn er Sven mitnahm, konnte er wenigstens ein Auge auf ihn haben. Dann hatte er mehr Kontrolle über die ganze Sache. Außerdem war die Vorstellung, einen Leibarzt dabeizuhaben, durchaus verlockend. Sven konnte schneiden und Wunden nähen, er hatte allerlei Material, Medikamente, Schmerzmittel. Sowohl das Zeug als auch die Kenntnisse im Umgang damit konnten Maier durchaus zupasskommen. Und ja, Sven konnte schießen, was in Anbetracht der Tatsache, dass die übliche, monatelange Vorbereitung diesmal ausfiel, ebenfalls nützlich sein konnte. An und für sich wusste Sven von Waffen mehr, als er selbst je lernen würde. Außerdem schien Thomas ein eher scheues Kind zu sein. Bei seinem kurzen Besuch neulich hatte er sich schüchtern an seinen Vater geklammert. Wenn Maier Sven mitnahm und sie das Kind tatsächlich aufspürten, könnte der Vater sich um seinen Sohn kümmern. Das würde ein bisschen sanfter ablaufen, als wenn er selbst – ein Fremder – Thomas abschleppte. Und außerdem hätte er die Hände frei.
Je länger er darüber nachdachte, desto mehr Vorteile erkannte er. Die Küchenuhr zeigte zehn Uhr. Etwa vier Stunden Fahrt bis Paris, und das war noch das Geringste. Er musste Material besorgen, und von Susan wollte er sich auch richtig verabschieden. Vielleicht sah er sie schon in zwei Tagen, vielleicht aber auch erst in ein paar Wochen wieder. Möglicherweise war ihr Vater dann schon nicht mehr am Leben.
Möglicherweise bist du dann selbst nicht mehr am Leben .
»Okay.« Er versuchte, den Knoten im Magen möglichst nicht zu spüren. »Fahren wir zusammen.« Maier ging zum Sekretär, nahm sich einen Notizblock und kritzelte eine Liste drauf. Riss den Zettel ab und gab ihn Sven. »Morgen früh um sechs brechen wir auf. Sorg dafür, dass wir diese Sachen dabeihaben.«
Ohne Sven noch eines weiteren Blickes zu würdigen, ging er ins Schlafzimmer. Als er seine Reisetaschen aus dem Kleiderschrank herausfischte, hörte er die Tür ins Schloss fallen.
Er stapelte das Material auf dem Bett. Biwakmütze, Leatherman, Klebeband, Maglite, Sägeschnur, aufrollbare Werkzeugtasche. Alles noch da. Sogar sein Rollkragenpullover. Er verstaute alles wieder in der Tasche. Die .45er Munition und die Glock verschwanden in einem Seitenfach.
In einer Schublade im Wohnzimmer fand er einen alten Palmtop. Das betagte Teil gehörte mitsamt der Reisetasche und ihrem Inhalt zu den wenigen Dingen, die er aus Zeist mit hierhergeschleppt hatte. Es standen jede Menge Adressen und Telefonnummern drin. Den Namen, den er suchte, hatte er schnell gefunden: Jack Davids, ein Kunde, der mit Immobilien handelte und für den er damals mit Sagittarius ein umfangreiches Projekt realisiert hatte. Der Typ hatte in Paris als Wertanlage ein paar Neubau-Appartements gekauft und ihm angeboten, sich dort jederzeit einzuquartieren, weil sie die meiste Zeit über sowieso leer stünden.
Die Leute
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