Verstoßen: Thriller (German Edition)
ihr ziemlich viel gemeinsam, du und das Kind, oder? Es gibt bestimmt so einiges zu besprechen in den nächsten Tagen. «
Thierry guckte begriffsstutzig. Worauf wollte der jetzt wieder hinaus?
»Der Kleine will zu seiner Mutter«, erklärte Olivier grinsend. »Genau wie du, oder?« Und indem er mit den Fingern seine Mundwinkel langzog, die Augen sperrangelweit aufriss und den spanischen Akzent in Miguels Aussprache des Französischen perfekt nachahmte: »Du bist ein gottverdammter Idiot, Thierry. Das meine ich.«
Alain kicherte wie ein Schulmädchen und rieb sich ein paar Tränen aus den Augen. »Ça c’est vraiment con pour toi, Thierry«, sagte er und grinste. »Hiermit bist du offiziell zum Kindermädchen ernannt. Sieh zu, dass du dich dran gewöhnst.«
Abrupt stand Thierry auf. »Okay, okay, ich mach’s ja schon.« Er stieß einen leisen Fluch aus, nahm eine bereits geöffnete Pampers-Packung aus dem Karton bei der Tür und verließ den Schauplatz.
Alain wandte sich an Olivier. »Wann bringst du das Gör zu mir?«
»Übermorgen, Dienstag.«
»Und du bist sicher, dass es nur für eine einzige Nacht ist?«
»Oui. Mach dir keine Sorgen. Wenn du ihn Mittwoch im Laufe des Tages zum Hof bringst, übernehme ich ihn.«
Alain blieb sitzen. »Thierry bleibt also bis Dienstag hier? Mit dem Kleinen?«
»Wenn die Sache bis dahin nicht gelöst ist, ja. So ist das gedacht. Du hast schließlich noch was anderes zu tun. Und ich auch.«
»Sonnenblumen abernten?«
»Wird allmählich Zeit. Aber gut, ich finde, es ist keine schlimme Arbeit.«
»Einmal Bauer, immer Bauer, was?«
»Scheint so.«
Alain stand nun doch auf und steckte seinen Schlüsselbund ein, der auf dem Tisch gelegen hatte. »Ich habe immer noch kein gutes Gefühl dabei, den Idioten hier alleine zu lassen. Der ist doch ziemlich labil.«
»Überlass den mal mir.« Demonstrativ legte Olivier eine Pistole auf den Tisch. »Der Stümper wird gefälligst tun, was man ihm sagt. Das werd ich ihm gleich noch verklickern.«
13
Sil war heute früh losgefahren. Die halbe Nacht war er superkonzentriert mit irgendetwas beschäftigt gewesen. Sie hatte ihn nicht anzusprechen gewagt, um ihn nicht aus seiner Konzentration herauszureißen und unter Umständen zu irgendwelchen Fehlern zu verleiten. Gegen vier Uhr nachts war sie schließlich auf dem Sofa eingeschlafen. Zwei Stunden später hatte Sil sie geweckt, um ihr zu sagen, dass sie jetzt aufbrechen würden. Sven hatte hinter ihm gestanden, mit wildem Blick, eine Reisetasche über der Schulter.
Als sie die Tür hinter sich zugezogen hatten, war es, als sei mit Sil auch die Seele aus ihrer Wohnung gegangen.
Der Raum kam ihr leer vor. Fast schon feindselig.
Aber nicht halb so feindselig wie ihr eigener Körper ihr an diesem Morgen begegnete. Sie hatte ihre Tage bekommen, und nun schien ihr ein schwerer Backstein im Bauch zu liegen, der mit seinem Gewicht an dem zähen Gewebe zog, das die Organe an ihrem Platz hielt. Stiche bei jeder Bewegung, müde Beine wie nach einem Marathonlauf, ein hartnäckiger Kopfschmerz und ein konstanter Druck im unteren Rücken, als wollte jemand mit ganzer Kraft ihre Lendenwirbel nach außen drücken. Gegen das Schweregefühl im Unterleib und das leichte Unwohlsein, das damit einherging, kam kein Schmerzmittel an.
Das menschliche Fortpflanzungssystem hatte etwas Sadistisches an sich, dachte sie bitter. Kein Tierweibchen lief mit geschwollenen Brüsten herum, wenn es nichts zu säugen gab. Keines drohte einmal im Monat vor Schmerzen zu krepieren,
weil blutiger Abfall aus der Gebärmutter abfließen musste. Selbst Hündinnen hatten dergleichen nur jedes halbe Jahr – und bei denen dauerte die Schwangerschaft nur zwei Monate, statt neun. Der weibliche Homo sapiens hatte von allen Säugetieren die schlechteste Karte gezogen.
Um die Stille zu vertreiben, hatte sie den CD-Player eingeschaltet und sich mit einem Kissen vor dem Bauch auf dem Sofa zusammengerollt. Als die ersten Klänge von The Church, Under the Milky Way , aus den Lautsprechern kamen, ließ sie sich in ihre Niedergeschlagenheit hineinsinken und hoffte, sie würde schnell einschlafen, und müsste nichts mehr fühlen oder denken.
Gegen zehn schreckte die Türklingel sie auf. Die CD war zu Ende. Sie rollte sich vom Sofa, stand auf und blieb vorgebeugt kurz stehen, damit der Stein in ihrem Unterleib sich an die veränderten Schwerkraftverhältnisse anpassen konnte.
Es war Reno. Meistens hingen ihm seine braunen Strähnen
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