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Verstoßen: Thriller (German Edition)

Verstoßen: Thriller (German Edition)

Titel: Verstoßen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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wie ein Fliegenvorhang vor den Augen. Jetzt hatte er sie unter ein geschickt verknotetes, blassschwarzes Tuch gebannt, was ganz seiner Vorstellung eines gepflegten Äußeren entsprach. Seine langen Beine steckten in einer schwarzen Schlabberhose voller Löcher, und er trug ein Paar ausgelatschter Springerstiefel. Mit seinen markanten Wangenknochen und den großen, dunkelbraunen Augen wirkte Reno auf eine bestimmte Kategorie von Leuten dennoch wie ein gut aussehender junger Mann. Reno war Gitarrist und Sänger von Stonehenge, einer Hardrockband. Sobald er auf einer Bühne stand, verwandelte er sich in eine Art magische Erscheinung. Für eine bislang noch kleine Fangemeinde war er eine Art Halbgott.
    Einen Halbgott hatte sie nie in ihm gesehen. Einen jungen Typen mit einigem Talent, das schon, und mit noch mehr Problemen. Das Drogenproblem war noch nicht einmal das vordringlichste.
    Breitbeinig saß er ihr gegenüber am Küchentisch, schlang ein belegtes Brot hinunter und schlürfte schwarzen Kaffee aus einem großen Becher. »Weißt du, wen ich gestern Abend zufällig getroffen habe?«, fragte er zwischendurch. »Einen Onkel von mir, der früher auf der Musikhochschule war und mir immer in den Ohren gelegen hat, ich sollte mir die Technik aneignen. Sonst würde ich es nie schaffen. Der alte Sack. Und weißt du, was er selbst jetzt macht?« Seine dunklen Augen glänzten.
    Susan gab sich alle Mühe, möglichst interessiert zu wirken. Dass man Reno in derart guter Laune antraf, kam selten vor. Über Selbstmord redete er öfter als über das Wetter.
    »Das glaubst du nicht«, sagte Reno. Er breitete die Arme aus, und seine Augen funkelten. »Er hat sich anheuern lassen auf so einer Fähre, die glaube ich zwischen Kiel und Oslo verkehrt, und da spielt er jetzt Abend für Abend vor lauter besoffenen Touristen Sex Bomb .«
    »Wahrscheinlich technisch perfekt«, sagte Susan. Ein Lächeln konnte sie sich nicht verkneifen.
    »Bestimmt«, sagte Reno und grinste. »Nur schade, dass niemand nüchtern genug ist, um das mitzubekommen. Das musst du dir mal reinziehen: auf einer Fähre! Bloß gut, dass das Ding schwimmt, denn tiefer kann man echt nicht sinken.«
    Susan lächelte. Sie hatte selbst schon oft die Fähre nach Oslo genommen. Das Gros der Passagiere auf Fährschiffen zwischen Skandinavien und Deutschland konnte man in zwei Gruppen einteilen: zum einen deutsche und niederländische Leute über fünfzig mit Elchaufklebern auf ihren vollgepackten Wohnmobilen, zum anderen die berüchtigten – überwiegend männlichen – Sauftouristen aus Skandinavien, von denen Reno gerade erzählt hatte. Junge Leute zwischen zwanzig und dreißig, die sich eine Stunde nach dem Einschiffen schon derart abgefüllt hatten, dass sie sich an der Bar kaum noch auf den Beinen halten konnten. Auf dem deutschen Festland sackten sie Bier
ein, das sie fachkundig in allerlei Koffern und Hohlräumen ihrer Wagen verstauten. Ein kleiner Vorrat für zu Hause, wo die gigantischen Verbrauchssteuern das Leben eines Alkohol-Liebhabers ziemlich teuer machten.
    Aus welcher Perspektive man es auch immer betrachtete – ein Absolvent der Musikhochschule hatte sich sein zukünftiges Publikum sicher anders vorgestellt. Im Vergleich dazu war Reno mit seiner Art und Weise gar nicht so schlecht gefahren. Er spielte zumindest seine eigenen Songs, und das Publikum, so klein es auch sein mochte, kam extra für ihn.
    Sie verspürte einen Stich im Unterleib.
    Reno bemerkte ihr kurzes Zusammenzucken. »Ist irgendwas? «
    Sie winkte ab. »Nein, nein, schon gut.«
    »Du siehst übrigens furchtbar aus. Leichenblass.«
    »Danke. Du auch.«
    »Bist du sicher, dass …«
    »Schon okay, Reno.«
    Er sah sich um. «Ist Sil noch im Bett?«
    »Der ist weg.«
    Etwas in ihrer Stimme oder Haltung musste ihn alarmiert haben.
    »Doch nicht für immer, oder?«
    »Nein, er hat was zu erledigen«, sagte sie tonlos. »In etwa einer Woche dürfte er zurück sein.«
    »Und wie geht es deinem Vater?«
    »Der liegt im Sterben.«
    Er nickte, seine Kiefer mahlten. »Macht’s dir viel aus? Du hattest eher wenig mit dem Alten zu schaffen, oder?«
    Sie sah ihn an. »Stimmt schon, aber … der Tod ist so … so endgültig.«
    Er murmelte etwas und wirkte auf einmal besonders interessiert an den Farbflecken auf seiner Hose. »Ziemlich blöd für
dich«, sagte er, um dann fast im selben Atemzug hinzuzufügen: »Hast du zufällig Wein im Haus?«
    »Nein. Und das ist kein Zufall. Koffein kannst du kriegen, so

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