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Verstoßen: Thriller (German Edition)

Verstoßen: Thriller (German Edition)

Titel: Verstoßen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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Aufhänger gewesen. Das Alibi, mit dem er sein Gewissen beruhigt hatte.
    Das war von Anfang an so gewesen.
    Als Sven ihn um Hilfe gebeten hatte, hätte er ihn durchaus noch überreden können, zur Polizei zu gehen. Sven war ihm nicht gewachsen. Er hätte ihn derart manipulieren können, dass er noch am selben Tag zu einem Kripobeamten gelaufen wäre.
    Aber das hatte er nicht getan.
    Weil er es in seinem tiefsten Innern gar nicht gewollt hatte. Weil er in Wirklichkeit nur darauf gebrannt hatte, dem eigenen Körper und Geist noch einmal das Äußerste abzuverlangen. In genau die Hölle zurückzukehren, der er vor nicht einmal zehn Monaten mit knapper Not entkommen war.
    Was zum Teufel trieb ihn dazu? War er geistig gestört? Gehörte er zu einer neuen Art von Serienmördern, die zur Abwechslung nicht Frauen um die Ecke brachten, um sich Kleider aus ihrer Haut zu schneidern, oder die mit Jungfrauenblut Botschaften an Häuserwände schrieben, die ihnen von fremden Stimmen eingeflüstert worden waren, sondern die einfach Leute über den Haufen knallten, die zufällig auf der falschen Straßenseite gingen?
    War er im Grunde nicht selbst auf die falsche Seite geraten?
    Aber wer hatte eigentlich zu entscheiden, wo genau diese Trennlinie verlief? Er selbst, getrieben von einem Drang, den er nicht unterdrücken konnte, doch intelligent genug, um seine Taten immer wieder vernünftig zu begründen – und sich damit zu arrangieren? Oder das Gesetz, das auch nur von fehlbaren Menschen gemacht war? Oder vielleicht Gott? Ein unfehlbarer Gott – die Antwort auf alle Fragen, auf die es noch keine Antworten gab?
    Warum reichte ihm eigentlich Susan nicht? Hatten sie zusammen nicht alles, was sie sich wünschen konnten?
    Für Sil Maier war das anscheinend nicht genug.
    Was sind deine Prioritäten ?
    Die Antwort war noch nie so eindeutig gewesen. Hier saß er, in einem unpersönlichen Appartement in Frankreich, mit drei frischen Morden auf dem Gewissen. Und nicht in Den Bosch zu Hause bei Susan, obwohl sie ihn gerade jetzt dringend brauchte.
    Am meisten erschreckte ihn jedoch, dass er erst jetzt wieder an sie dachte. In den letzten Tagen war es ihm nicht einmal in den Sinn gekommen, sie anzurufen. Sie zu fragen, wie es ihr ging – und ihrem Vater. Oder ihr ein Lebenszeichen von sich zu geben. Mit einem simplen Telefonanruf die Sorgen zu zerstreuen, die sie sich womöglich machte.
    Keine verdammte Sekunde lang hatte er auch nur daran gedacht.
    Man musste kein großer Psychologe sein, um daraus seine Schlüsse zu ziehen. Aber noch nie war es so schwer gewesen, wirklich hinzusehen.
    Susan hatte Gefühle in ihm erweckt, von deren Existenz er vorher nicht einmal gewusst hatte. Doch all ihre Sanftmut, ihre Intelligenz und ihre Sinnlichkeit zusammen hatten der Destruktivität, die in ihm wütete, keinen Einhalt zu gebieten vermocht. Die wucherte in einem dunklen Winkel seines Geistes, zu dem Susan keinen Zugang hatte.
    Und er selbst ebenso wenig.
    Warum?
    Vielleicht grübelte er einfach zu viel. Alles hatte seine Grenzen. So auch sein Vermögen zu begreifen, was ihn umtrieb. Der menschliche Geist konnte sich selbst nie ganz erfassen, hatte er einmal gehört. So wie eine Dose zwar viele Dinge, aber nicht sich selbst umfassen, wie eine Schlange nicht sich selbst auffressen konnte.
    Also brauchte man es gar nicht erst zu probieren.
    In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken.
    Prioritäten. Entscheidungen. Diese ständigen Scheißentscheidungen.
    Er drehte den Hahn auf und hielt den Kopf schräg unter das strömende Wasser. Rieb sich mit den Händen über das Gesicht. Schüttelte den Kopf wie ein nasser Hund und trocknete sich mit der Vorderseite seines T-Shirts ab. Ging ins Wohnzimmer, holte sein Handy aus der Jackentasche und rief Susans Handynummer an.

33
    Fünf Uhr morgens, und noch immer ließ die Sonne sich nicht blicken. Auf der Autobahn schlitterte Susans Vitara hin und her. Der Regen prasselte auf das dünne Kunststoffdach und peitschte gegen die Fenster, auch die Scheibenwischer wurden mit den Wassermassen nicht mehr fertig. Das fünfzehn Jahre alte Fahrgestell rumpelte und ächzte.
    Susan hatte das Radio angestellt, hätte aber nicht einmal sagen können, ob gerade Musik lief oder gesprochen wurde. Die dunkle Autobahn, auf der sich unzählige große Pfützen gebildet hatten, in denen die Reifen ihres kleinen Geländewagens nur ausnahmsweise Halt fanden, sah aus wie ein Flickenteppich. Die beiden rechten Fahrspuren wiesen

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