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Verstoßen: Thriller (German Edition)

Verstoßen: Thriller (German Edition)

Titel: Verstoßen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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Spurrillen auf, die sie ihrem japanischen Gefährt nicht zumuten wollte. Die Reifen der dort fahrenden Lastwagen verspritzten so gigantische Fontänen, dass Überholmanöver Selbstmordversuchen gleichkamen. Die waghalsige Fahrt erforderte ihre gesamte Konzentration.
    Susan spähte durch die Regenschleier hindurch auf die roten Rücklichter der vor ihr fahrenden Wagen. Vor zwanzig Minuten war sie an Antwerpen vorbeigekommen. Sie sah auf den Tacho: siebzig Stundenkilometer.
    Hinter Gent ließ der Sturzregen etwas nach. Der Himmel hellte sich in blassen Grüntönen auf, aber die Sonne blieb noch verborgen hinter einer dicken Wolkendecke. Susan gähnte. Ihr Rücken und alle ihre Glieder fühlten sich total verspannt an.
    Wie im Rausch fuhr sie weiter. Versuchte sich daran zu erinnern,
wie es in Wales ausgesehen hatte, als sie zum letzten Mal dort gewesen war. Das lag keine vier Jahre zurück. Sie war für eine Reportage über eine Landwirtschafts-Schau hingefahren, von wo aus es keine vierzig Kilometer bis zu dem Wohnort ihrer Mutter gewesen wären. Das wusste sie mittlerweile.
    Meine Mutter wohnt in Wales .
    Aber warum, in Gottes Namen?
    »Das musst du Jeanny selbst fragen«, hatte Walter auf die Frage geantwortet. »Ich habe mich ohnehin schon sehr weit aus dem Fenster gelehnt.« Er war in einer sonderbar düsteren Stimmung gewesen.
    Wales. Nie hatten sie dort Ferien gemacht. Weder Bekannte noch Freunde hatten sie in der Gegend, Susan konnte sich an nichts aus ihrer gesamten Jugend erinnern, was auch nur entfernt mit Wales zu tun gehabt hätte, so sehr sie auch in ihrem Gedächtnis herumwühlte. Die Ausländer, die im Haus ihrer Eltern ein und aus gegangen waren, woher stammten die? Aus Deutschland. Soweit sie sich erinnern konnte, waren es immer nur Deutsche gewesen. Nie jemand aus Wales.
    Um Viertel nach sieben, als es seit etwa einer Stunde hell war und sie bei Calais den Schildern TUNNEL SOUS LA MANCHE folgte, um an Bord des Zugs zu gelangen, der die Autofahrer auf die andere Seite des Kanals bringen würde, regnete es immer noch.
    Bei einem der Schalter hielt sie an. Ein französischer Schalterbeamter fragte, wie lange sie auf der Insel bleiben würde. Einen Tag? Fünf Tage? Es gab anscheinend entsprechend unterschiedliche Tarife für die Überfahrt. Da sie es im Vorhinein nicht sagen konnte, zahlte sie schließlich für eine einfache Fahrt.
    Arbeiter in knallgelben Jacken und mit Walkie-Talkies dirigierten sie über die seitliche Einfahrt in den Bauch eines metallfarbenen Zugs. Nachdem sie durch mehrere enge, von Neonlicht
erhellte Waggons hindurchgefahren war, kam sie hinter einem belgischen Volvo zum Stillstand. Sie stellte den Motor ab, legte den ersten Gang ein und lehnte sich zurück.
    Es war nicht leicht, sich in dem kargen Zug die Zeit zu vertreiben. Die meisten Leute blieben in ihren Autos sitzen oder gingen daneben gelangweilt auf und ab, um die Glieder ein bisschen auszuschütteln. Einige machten sich auf die Suche nach den Toiletten.
    Susan streckte sich, zog die Füße auf den Sitz und faltete die Straßenkarte auf. Von Folkestone führte die M20 nach London. Im Südwesten der Hauptstadt musste sie in einem unübersichtlichen Straßengewirr die M4 nach Westen finden. Aus Erfahrung wusste sie, dass der grundsätzlich verstopfte Autobahnring um London einem gründlich die Laune verderben konnte. Jetzt, Anfang August, war es vielleicht nicht ganz so schlimm. Viele Briten lagen jetzt an den Stränden Spaniens oder machten Urlaub auf französischen gîtes . Die Strecke von Folkestone bis zur walisischen Grenze konnte sie vielleicht in drei Stunden zurücklegen.
    Summend setzte der Zug sich in Bewegung. Schon bald führte der Tunnel beträchtlich in die Tiefe. Sie spürte den Druckunterschied in den Ohren. Draußen vor den Fenstern sah man die graue Innenwand des Tunnels, der neununddreißig Kilometer lang war und vierzig Meter unter dem Meeresboden der Nordsee verlief. Nicht gerade ein Zimmer mit Aussicht. Die Fenster hätte man sich auch sparen können. Oder die Tunnelwände einer Gruppe von Graffiti-Künstlern überlassen und ihnen damit das Geschenk ihres Lebens machen. Täglich reisten mehr als achtzehntausend Menschen durch den Eurotunnel nach England oder Frankreich, las sie in einer Broschüre. Sechseinhalb Millionen im Jahr. Trotzdem, so tief unter dem Meeresboden in einer Röhre zu sitzen, das blieb eine beängstigende Vorstellung.
    Sie holte ihr Nokia aus der Tasche. Jemand hatte sie anzurufen

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