Verstoßen: Thriller (German Edition)
auf den Parkplatz gefahren. Der Anhänger war knallblau, und die Metallkonstruktion auf der Ladefläche sah aus wie ein beweglicher Kran. Zwei Männer in gelber Arbeitskleidung, vermutlich Fahrer und Beifahrer des kleinen Busses, gaben dem Lastwagenfahrer irgendwelche Instruktionen. Eine ziemliche Wichtigtuerei da unten. Gebannt starrte er hinunter.
Bis einer der Arbeiter plötzlich heraufschaute. Rasch zog Miguel den Kopf zurück.
Was immer sie vorhatten, anscheinend wollten sie hier herauf. Deshalb der Kran. Vielleicht sollte eine Antenne installiert werden, ein Mobilfunkmast oder so was.
Er musste hier weg.
Unterdrückt fluchend packte er die CZ wieder ein, als er plötzlich ein Scharren hörte. Er wandte den Kopf in die Richtung, aus der es gekommen war. In der Mitte des Dachs befand sich ein viereckiger Kasten mit einer Metalltür an der Rückseite. Ein Zugang vom Treppenhaus zum Dach.
Wie erstarrt blieb Miguel sitzen, einen Moment lang unentschlossen.
Hinter dem kastenartigen Aufbau kam ein Mann in gelbem
Overall zum Vorschein. Er schien tief ins Gespräch mit jemandem verwickelt, der sich außerhalb von Miguels Blickfeld befand. Ohne sich umzusehen, stellte der Mann zwei schwere Gerätekoffer ab und verschwand wieder.
Vorgebeugt rannte Miguel zu der Feuertreppe. Ließ den Kunststoff koffer an einem Seil auf deren obersten Absatz hinunter und kletterte hinterher. Missmutig brummte er in sich hinein. Eine Verzögerung, sagte er sich, ein Aufschub. Aber damit war die Mission keineswegs abgeblasen.
Jetzt war Plan B dran.
Der war subtiler. Aber genauso effektiv.
35
Maier war früh auf den Beinen. Um sechs Uhr von selbst aufgewacht. Er ging ins Bad, duschte und setzte Kaffee auf. Sven und Thomas schliefen noch. Nachdem er einen Kaffee getrunken hatte, fühlte er sich allmählich wieder wie ein Mensch. Er ging in den Flur und nahm die Plastiktüte aus dem Mr. Bricolage in Poitiers mit ins Bad.
Auf dem Boden kniend, fing er an, die kaputte Fliese mit Hammer und Meißel herauszuschlagen. Es machte gehörigen Krach. Er hoffte nur, dass er in den Nachbarwohnungen niemanden aus dem Schlaf riss. Die Einzelstücke verstaute er in der Plastiktüte und pulte dann mit der scharfen Kante des Meißels das mittlerweile platt geklopfte Geschoss aus dem Beton heraus. Bestrich den Untergrund mit Leim und passte eine neue Fliese ein. Der Farbunterschied war minimal – wenn man es nicht wusste, war es kaum zu sehen. Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Er stand auf, setzte Fugenmörtel an und schmierte ihn in die Zwischenräume. Mit einem nassen Tuch, auf das er ein wenig Spülmittel gegeben hatte, wischte er die Reste ab. Stand dann auf und nahm sein Werk noch einmal aus einigem Abstand in Augenschein. Bevor sie in etwa einer Stunde auf brachen, würde er die Stelle noch einmal mit einem trockenen Tuch sauber wischen. Der Fugenmörtel nahm nach dem Trocknen womöglich einen etwas helleren oder dunkleren Ton an, aber dass das auffallen würde, kam ihm ausgesprochen unwahrscheinlich vor. Wie es jetzt war, musste es reichen.
Keine Spuren mehr.
Er ging in den Flur zurück, stellte die Tasche bei der Tür ab und betrat noch einmal das Wohnzimmer. Ein weißer, dreißig Quadratmeter großer Raum. Jack hatte nicht übertrieben, als er das Appartement »mehr oder weniger komplett leer« genannt hatte. Graues Laminat, weiße Wände, weiße Decke. Ein Zweisitzer aus Leder und ein Kubustisch, auf dem er heute Nacht dankbar seine Füße abgelegt hatte. An der Längsseite ein niedriger weißer MDF-Tisch und ein Fernseher. Zur Beleuchtung hing eine Hundert-Watt-Birne von der Decke, danach war das Budget offenbar aufgebraucht gewesen. Kein Bild an der Wand, kein Teppich auf dem Boden, nichts. Der Raum war so kahl, dass jeder Laut nachhallte. Ein Durchgangs-Appartement. Unpersönlich.
Er ging weiter ins Schlafzimmer. Thomas war mittlerweile aufgewacht und sah ihn mit großen Augen an. Sven schlief noch.
»Hallo, Thomas«, sagte er freundlich. »Möchtest du was essen ?«
Ängstlich drängte der Kleine sich an seinen Vater.
»Ich schon«, murmelte Sven und streckte sich. »Wie spät ist es denn?«
»Viertel nach sieben. Ich hab meine Sachen schon gepackt.«
Sven schlug die Decke zur Seite und legte den Arm um Thomas. Der sah Maier immer noch argwöhnisch an. Sven strich Thomas durchs Haar. Im Morgensonnenlicht glänzte es ebenso perlmuttern wie das seines Vaters.
Sven räkelte sich noch einmal: ausgestreckter Arm,
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