Versuchung Pur
brachten nur wenig Regen. Eden hangelte sich durch die Tage und blendete die ungewisse Zukunft aus, die mit dem September beginnen würde.
Nein, sie steckte den Kopf nicht in den Sand, sondern sie nahm einfach nur jeden Tag, wie er kam. Wenn sie eines in diesem Sommer gelernt hatte, dann dass sie tatsächlich etwas ändern und bewegen konnte. An sich selbst und in ihrem Leben.
Die entmutigte und niedergeschlagene Frau, die nach Camp Liberty gekommen war, als wäre es ihr Zufluchtsort, würde es als selbstbewusste, erfolgreiche Frau wieder verlassen. Sie würde sich der Welt da draußen mit hoch erhobenem Kopf stellen.
Eden stand mitten auf dem freien Platz und steckte die Hände in die Taschen ihrer Shorts. Nächsten Sommer würde es noch besser werden. Jetzt hatten sie die Erfahrung gemacht, hatten auch die Krisen bewältigt und gelernt, wie diese zu vermeiden waren. Natürlich war ihr klar, dass sie bei diesem Gedankengang so einige Monate ausließ, doch sie wollte nicht an den Winter denken, an Philadelphia mit seinen verschneiten Bürgersteigen, sondern an die Berge und was sie hier aus ihrem Leben gemacht hatte.
Wäre es irgendwie möglich, würde sie bleiben, obwohl die Saison zu Ende war. Ihr war klar geworden, dass nur die Notwendigkeit, einen Job zu finden, sie zurück nach Osten zog. Philadelphia war nicht mehr ihr Zuhause.
Eden schüttelte sich leicht und verdrängte die Gedanken an den Dezember. Die Sonne strahlte. Es war warm, und von hier aus konnte sie die Wasser des Sees in der Hitze flirren sehen und an Chase denken.
Was wohl passiert wäre, hätte sie ihn vor zwei Jahren getroffen, als ihr Leben noch in seinen wohlgeordneten, vorgezeichneten Bahnen verlaufen war? Hätte sie sich damals auch in ihn verliebt? Vielleicht war alles ja nur eine Sache des Timings. Vielleicht hätte sie nur höflich die Vorstellung über sich ergehen lassen und ihn dann vergessen.
Nein. Eden schloss die Augen. Die Erinnerungen an jede Empfindung, an jedes Gefühl, die er in ihr geweckt hatte, waren viel zu lebendig. Von Timing konnte bei etwas so Überwältigendem keine Rede sein. Ganz gleich wann, ganz gleich wo, sie hätte sich in Chase verliebt. Hatte sie denn etwa nicht die ganze Zeit dagegen angekämpft, nur um feststellen zu müssen, dass die Gefühle für ihn immer stärker wurden?
Aber … sie hatte auch geglaubt, in Eric verliebt zu sein.
Ein Schauer überlief sie, selbst in der heißen Sonne. Ein Eichelhäher flog über sie hinweg, sie sah ihm nach. War sie etwa so oberflächlich, dass ihre Gefühle sich mit einem Wimpernschlag änderten? Es war dieser Gedanke, der sie zurückhielt und sie zur Vorsicht mahnte. Hätte Eric ihr nicht den Rücken gekehrt, hätte sie ihn geheiratet. Dann würde sie jetzt seinen Ring tragen. Eden sah auf ihre linke Hand. Dort steckte kein Ring.
Das war keine Liebe gewesen, versicherte sie sich. Jetzt wusste sie, wie Liebe sich anfühlte, was sie mit dem Herzen, dem Verstand und dem Körper anstellte. Aber … Was genau empfand Chase? Sicher, ihm lag etwas an ihr und er begehrte sie. Doch Eden wusste so viel über die Liebe, dass das nicht genug war. Auch sie hatte einst begehrt und Zuneigung verspürt. Wenn Chase sie liebte, dann würde es kein Vorher mehr geben. Dann würde die Zeitrechnung erst mit dem Jetzt beginnen.
Sei keine Närrin, schalt sie sich verärgert. Solche Gedanken trieben sie nur wieder zurück in Abhängigkeiten. Natürlich gab es ein Vorher, für sie beide, und es gab auch eine Zukunft. Sie konnte nicht sicher sein, ob die Zukunft tatsächlich dem entsprechen würde, was sie heute fühlte.
Aber sie wollte eine Närrin sein, gestand sie sich mit einem kleinen, aufgeregten Schauer ein. Selbst wenn es nur für ein paar Wochen sein sollte: Sie wollte alles erleben und diese verrückten Gefühle bis zur Neige auskosten. Irgendwann würde sie wieder vernünftig werden. Vernünftig war für Januar reserviert, wenn der Wind scharf und kalt blies und die Miete bezahlt werden musste. In wenigen Tagen würde sie mit Chase tanzen und ihn anlächeln. Die eine Sommernacht würde sie sich gewähren, um eine Närrin zu sein.
Sie kickte die Sandalen von den Füßen, hob sie auf und rannte zum Bootssteg. Die Mädchen saßen bereits in den Booten und warteten auf das Startsignal, um auf den See hinauszurudern.
»Miss Carlbough!« Die unerlässliche Kappe auf dem Kopf, hüpfte Roberta auf dem Gras am Ufer auf und ab. »Sehen Sie mal!« Innerhalb von Sekunden hatte sie
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