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Versunkene Gräber - Roman

Versunkene Gräber - Roman

Titel: Versunkene Gräber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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sie gegen ihn erhoben hatte.
    »Wie ist er gestorben?«, wiederholte sie.
    »Halt den Mund!«
    Lenka musste sich angeschlichen haben. Wie lange sie schon draußen vor der Tür gestanden hatte, wusste Zuzanna nicht. Offenbar lange genug, um wie eine Furie ins Zimmer zu platzen und ihrem Großvater ins Wort zu fallen.
    »Lenka!«, entfuhr es ihm. »Was machst du denn hier?«
    »Ich bewahre dich davor, dich um Kopf und Kragen zu reden! Hör auf! Bist du wahnsinnig? Wie kannst du ihr, einer Fremden, Dinge anvertrauen, die niemanden etwas angehen!«
    »Ich bin Anwältin. Ich unterstehe der Schweigepflicht. Alles, was in diesem Raum gesprochen wird …«
    »… ist: Raus hier. Gehen Sie. Lassen Sie meinen Großvater in Ruhe. Und meine tote Mutter. Hören Sie auf. Hören Sie auf!«
    »Lenka!« Zygfryd sah erschrocken zu seiner Enkelin. »Beruhige dich.«
    »Nein! Kann sie uns nicht in Ruhe lassen? Muss sie hierherkommen? Mama liegt noch nicht mal unter der Erde, und sie … sie …«
    Das Mädchen brach schluchzend zusammen. Zygfryd breitete seine Arme aus. Sie glitt hinein und weinte an seiner Schulter. Es war herzzerreißend.
    Immer wieder strich er ihr beruhigend über den Kopf. »Ist ja gut, meine Kleine. Ist ja gut.«
    Zuzanna klappte ihren Notizblock zu. Das Mädchen tat ihr unendlich leid. Trotzdem ärgerte sie sich, dass Lenka im unpassendsten Moment hereingeplatzt war.
    »Ich kann später wiederkommen. Ich muss sowieso noch nach Janekpolana und mit Jacek reden. Sein Vater ist in der Psychiatrie und …«
    »Da gehört er auch hin!« Lenka richtete sich auf und schoss einen ebenso tränenblinden wie hasserfüllten Blick auf Zuzanna ab.
    Zygfryd wollte sie wieder an sich ziehen, aber sie entwand sich unwillig seiner Umarmung, als würde sie sich dieses Momentes der Schwäche schämen.
    »Nein, Lenka.« Ihr Großvater ließ sie gehen. Sie stand auf und lehnte sich, um Haltung ringend, an die Wand. »Das wäre nicht recht. Marek Zieliński hat genug mitgemacht. Sein ganzes Leben wurde zerstört. Er kann nicht büßen für Taten, die andere begangen haben. Man hätte diese Dinge …« Er rang nach Worten. Lenka sah störrisch an ihm vorbei aus dem kleinen Fenster. »Man hätte viel früher darüber reden sollen.«
    »Das ging ja nicht. Es hieß ja immer schschsch – still, still.«
    »Aus gutem Grund, mein Kind. Du darfst ihr deshalb nicht böse sein.«
    Zuzanna wollte abwiegeln. ›Das ist doch kein Problem‹ oder ›Ich nehme das nicht persönlich‹ sagen. Bis ihr auffiel, dass es gar nicht mehr um sie ging.
    »Böse? Nein. Ich bin nicht böse. Ich habe ja kein Recht auf die Wahrheit. Mein ganzes Leben lebe ich in diesem Haus. Und nie war diese Wahrheit ein Thema. Dann taucht sie hier auf, diese Anwältin, und plötzlich redest du wie ein Wasserfall.«
    »Weil etwas geschehen ist, das …«
    »Sie hätte es nicht gewollt! Nicht vor einer Fremden! Und Mama auch nicht!«
    »Doch. Das hätte sie. Spätestens jetzt, nachdem all das Furchtbare in Janekpolana geschehen ist.«
    Zuzanna sah verwirrt von einem zum anderen. »Entschuldigen Sie bitte, aber von wem reden Sie?«
    »Von Lenka«, sagte Zygfryd leise. »Von meiner Frau.«

36
    John Camerer wählte einen einfachen Rioja. Er stellte sich vor, und ich tat so, als hätte ich ihn noch nie gesehen. Marquardts Fotos hatten ihm geschmeichelt. In Wirklichkeit sah Hagens ehelicher Sohn schmaler und älter aus. Seine blauen Augen wanderten immer wieder ab, als ob sie den Raum nach jemandem absuchen würden, der nicht kam. Er machte einen gehetzten Eindruck, auch wenn er versuchte, wie die Ruhe in Person zu wirken. Ein gutaussehender Mann auf der Flucht, kam es mir in den Sinn. Oder in Eile. Einer nervösen, mühsam verborgenen Eile.
    Während Nicky so tat, als wäre es das Normalste der Welt, dass wir drei uns nach Feierabend gemeinsam die Kante gaben, brachte ich kaum ein Wort hervor. Sie musste ihn angerufen haben, als sie auf der Toilette gewesen war, eine andere Möglichkeit außer Telepathie gab es nicht. Doch die kurze Plauderei über die Ergebnisse der heutigen Auktion war beendet, als John seinen Rioja bekam und den Brillat-Savarin in zwei Bissen verspeist hatte. Er saß neben Nicky, mir gegenüber.
    »Lassen Sie uns offen miteinander reden«, sagte er und wischte sich die Hände an seiner Serviette ab. »Sie sind in die Vorfälle involviert, vielleicht können Sie uns weiterhelfen. Krystyna Nowak hat uns hinters Licht geführt.«
    »Krystyna Nowak ist tot.«

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