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Versunkene Gräber - Roman

Versunkene Gräber - Roman

Titel: Versunkene Gräber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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glauben, durfte es nicht glauben, hab dir verboten, darüber zu reden, dich fast geschlagen, mein Lieb, mein Lieb …
    Friedels kleines Holzpferd hab ich gefunden, halb verbrannt, auch der Russe will sich wärmen. Magda sagt, die Russen sind nicht so schlimm, sie halten die Polen im Zaum.
    Magda?, höre ich dich staunend fragen. Magda ist da? In all den tantalischen Qualen hält ausgerechnet die jüngste und kleinste der Dienstboten die Stellung? Mein Lieb, es ist so. Sie ist geblieben, als die anderen gingen. Vielleicht, um einmal durch das Haus zu wandern, hocherhobenen Hauptes, in Seide und Pelz gekleidet – ich gönne es ihr aus übervollem Herz. Wohl glaubte sie, es würde nicht so schlimm … und wahrhaftig scheint der Sturm an ihr als Einziger kein Haar zerzaust zu haben.
    Sie ist anders geworden. Das liebe Mädchen, das immer scheu und fleißig seine Arbeit tat, es sagt, die Zeit der Herrenmenschen sei vorüber. Wohlan, so pflichtete ich ihr bei, das wird auch wahrlich Zeit, denn mein Lebtag war ich ein Weinbauer und hab den Rücken gekrümmt, dass alle, Herr und Knecht, die fleißig arbeiten, auch fleißig essen können. Und fleißig trinken, wollte ich scherzen. Da wurde sie rot und bat mich um Verzeihung für die harschen Worte. Doch wär ich Deutscher und hätte Land besessen, wär ich ein Herr gewesen, und die Herren hingen jetzt an den Bäumen … Sie weinte, das arme Ding. Da begriff ich, dass ich sie nie wiedersehen würde, schlimmer noch, dass ich meines Versteckes nicht sicher sein könnte. Ich gab ihr deine Nadel, die mit dem funkelnden Rubin. Ich sagte ihr, es gebe noch viel mehr davon, wenn sie auch weiterhin treu sein möge, und sie versprach es. Sie gab mir ihr Wort. Ich werde diesen Brief versiegeln, und das Siegel wird sie nicht erbrechen. Also kann sie nicht erfahren, dass das alles nicht von Dauer sein wird. Möge sie sich erfreuen an ihrem neuen Stand, er wird nicht lange währen. Man hört, die Ersten, die flohen, kehren schon wieder zurück. So wird es auch mit den anderen sein, und eines Tages, mein Lieb, auch mit dir und den Kindern.
    Drum sei vorbereitet. Denn vom Haus wollte ich dir schreiben. Und davon, wie es kam, dass ich, als einer der Letzten gezogen, auch einer der Letzten bin, die geschlagen und am Ende ihrer Kräfte ausharren und auf ein anderes Ende hoffen als dieses. Vielleicht bin ich der Einzige, der noch hofft. Dies kann nicht das Ende sein. Es darf nicht alles verloren gehen. Die Heimat, die Familie, der Weinberg, das Haus … Mir ist, als hätte ich es erst gestern verlassen, dann wieder erscheint es mir, als wären Jahrtausende über die Erde gezogen und ich wäre viel tausendfach gestorben.
    Vom Haus erzählen – das gelingt mir nicht. Vor der Türschwelle bleibe ich stehen. Ich wage es nicht einzutreten, lieb Rosa lieb. Ein Scheiterhaufen im Hof, darauf verglimmt der Rest unserer Habe. Magda zerrte mich weg, Magda, die Gute, die Einzige, die noch bei mir ist … An diesem Tag noch fiel sie auf die Knie vor mir, stammelte freudige Worte, bis sie mir sagte: Flieht, flieht, solange noch Zeit ist. Sie wusste nicht, dass ich ein Fahnenflüchtiger war und der nächste Baum der meine gewesen wäre, hätte man mich aufgegriffen. Sie warnte mich auch, mich den Russen zu stellen. Den Polen schon gar nicht. Egal, was ich beschlösse, der Tod wartete auf mich, und wenn nicht der Tod, dann die Arbeitslager in Sibirien, und denen wäre der Tod vorzuziehen.
    Ich muss verzeihen lernen, die Zeiten verlangen danach. Verzeihen, dass sie dein Sommerkleid trägt, das mit den gelben Margeriten, in dem ich dich noch über die Sommerwiesen laufen sehe, lachend, scherzend, im Spiel mit den Kindern, ein Bild aus anderen, versunkenen Tagen. Es steht ihr gut, unserer Magda. Sie hat Zygfryd aus Odereck schon immer sehr gemocht und will ihm damit gefallen. Sie sagt, vielleicht kann Zygfryd ein gutes Wort einlegen, dass er den Weinberg weiter führt. Sie will auch das Haus. Es reicht, mein Lieb, auf eins zu deuten, und die Leute müssen ihre Sachen packen … Ich wollte es nicht glauben, und doch, es ist die Wahrheit.
    Wir haben alles verloren, mein Lieb. Alles. Nur uns nicht, wir sind uns treu. Und so will ich dir sagen, lieb Rosa: Als Soldaten vorbeifuhren und Magda mich schnell fortschickte, mich zu verstecken – ein Rest von Zuneigung ist ihr geblieben, sie verrät mich nicht (wohl weiß sie, dass du noch einige hübsche Spangen und Armbänder hattest, und wohl habe ich die Hast

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