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Versunkene Gräber - Roman

Versunkene Gräber - Roman

Titel: Versunkene Gräber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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bemerkt, mit der sie die Rubinnadel an sich nahm). Als sie abgelenkt war und ich mich umsehen konnte, fand ich Johannes’ Hochzeitskiste unversehrt. Unser Weinkeller ist ein Scherbenhaufen, diese eine Kiste dagegen ist geblieben. Eine romantische Erinnerung, doch unser Herz hing daran, sie gemahnt mich an andere, an glückliche Zeiten. Und sie werden wiederkommen! Dafür bewahre ich sie, für uns und unsere Kinder, wie Johannes sie einst für den Vater meines Vaters bewahrte. Aber nur du und ich wissen, über welche Türschwelle man treten muss.
    Ich wache, ein einsamer Soldat über einer einsamen, kostbaren Fracht. Unserer letzten Habe. Wir werden uns wiedersehen, lieb Rosa. Ich werde dich finden bei deinen lieben Leuten, die euch aufgenommen haben. Grüß und küss mir die Kinder. Sag ihnen in ihre süßen Träume, dass der Vater wacht. Er wacht, lieb Rosa lieb. Er wacht über unser Geheimnis, wie die Väter und Vorväter wachen, denen ich mich so tief verbunden fühle wie noch nie. Einst werden die Nächte der Tränen vorüber sein. Dann werden unsere Tage kommen.
    Innigst Geliebtes
    Dein Walther

1
    Poulardenbrust an Safranreis, dazu ein exzellent gekühlter Pouilly-Fumé. Das Leben konnte so schön sein, wenn Marquardt bezahlte. Nichts wies darauf hin, nichts warnte, keine innere Stimme flüsterte: Pass auf, die zarte junge Frau, die gerade das hochfrequentierte Nobelrestaurant in der Schlüterstraße betritt, könnte dir mit einem einzigen Satz weitaus mehr verderben als dein exquisites Mittagsmenü, das du gerade im Begriff bist, zu dir zu nehmen.
    Sie ging Richtung Tresen, vorbei an vollbesetzten Tischen mit Designern, Anwälten, Filmproduzenten, Agenten, ein bisschen Schauvolk und dem ausgefransten Wanderzirkus all jener, deren erste Sätze mehr oder weniger mit »Ich mach was mit Film/Büchern/Kunst« begannen. Dort wandte sie sich an den Barista und fragte etwas. Bis eben eine unter vielen – eine hübsche junge Frau auf der Suche nach einem freien Tisch oder einer Verabredung. Man nahm sie kurz wahr und vergaß sie wieder. Doch das änderte sich, als der Angesprochene auf mich deutete und sie behutsam durch die enge Gasse, vorbei an Weinkühlern und ausladenden, in den Weg gestellten Einkaufstüten und Pilotenkoffern, zu uns geleitete. Sebastian Marquardt, der gerade zur Weinflasche greifen wollte, sah erstaunt hoch. Sein gebräuntes Gesicht mit den zurückgegelten, kurzen Haaren leuchtete auf. Junge, hilflose Frauen weckten den Retter in ihm. Manchmal auch mehr.
    »Die Dame wollte zu Ihnen.« Der Barista nickte mir kurz zu.
    Ich legte die Serviette zur Seite, wechselte mit meinem Gegenüber einen schnellen, ratlosen Blick und erhob mich. »Joachim Vernau.«
    Ich reichte ihr die Hand, sie erwiderte den Druck kurz und zog ihre dann schnell zurück.
    »Mein Name ist Zuzanna Makowska. Wenn ich Sie nicht störe, würde ich Sie gerne kurz sprechen.«
    Ihr Deutsch war exzellent, aber die Art, wie sie ihren Namen aussprach, klang osteuropäisch. Braune, wache Augen, herzförmiger Mund, zartes, feingezeichnetes, blasses Gesicht. Sie war einen Kopf kleiner als ich und trug einen langweiligen Hosenanzug mit korrekt geschlossener weißer Baumwollbluse, die glatten hellbraunen Haare in einem kinnlangen Pagenschnitt. Sie wirkte wie eine Jurastudentin vor der mündlichen Prüfung. Ich schätzte sie auf höchstens Mitte zwanzig.
    »Mein Büro ist nur ein paar Minuten von hier«, sagte ich und holte eine Visitenkarte aus meiner Anzugtasche. »Am Kurfürstendamm. Wenn Sie dort anrufen und sich einen Termin geben lassen …«
    »Ich brauche keinen Termin, nur eine kurze Auskunft. Darf ich?«
    Sie wandte sich an zwei straffe Damen mittleren Reichtums am Nebentisch. Unwillig räumten sie ihre Handtaschen von einem leeren Stuhl. Zuzanna zog ihn heran und setzte sich. Mitten in die schmale Gasse, durch die im Minutentakt die Kellner mit den Mittagsmenüs eilten. Sie schlug selbstbewusst die Beine übereinander. Sobald sie ihren Platz gefunden hatte, schien es vorbei zu sein mit Schüchternheit.
    Marquardt hob amüsiert die Augenbrauen und schob ihr ein Glas hinüber, das er mit Wasser füllte.
    »Danke.«
    Ich setzte mich wieder. »Nicht, dass Sie mich für unhöflich halten, aber wir haben gerade eine Besprechung.« Die Poularde wurde kalt.
    »Ich störe nicht lange. Aber ich bin nur heute in Berlin und habe bereits viel Zeit verloren. Ich suche Marie-Luise Hoffmann. Man hat mir gesagt, Sie beide …«
    »Dann hat man

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