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Versunkene Gräber - Roman

Versunkene Gräber - Roman

Titel: Versunkene Gräber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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die Zeit, in der die Häftlinge ihre Arbeitsplätze in der Tischlerei, der Elektrowerkstatt oder der Kantine verließen und noch eine Stunde Freizeit vor dem Einschluss hatten. Für ihren Mandanten galten andere Regeln. Er saß erst knapp sechsunddreißig Stunden hinter Gittern und kämpfte immer noch damit, endlich nüchtern zu werden. Der Zugang zu ihm war jederzeit möglich.
    Sie blieb noch einen Moment hinterm Steuer sitzen und dachte darüber nach, wie ihre Reise nach Berlin verlaufen war. Ihr Mandant hatte ihr nicht die Wahrheit gesagt. Er hatte behauptet, Marie-Luise Hoffmann sei eine Freundin. Dabei war sie Anwältin. Was zum Teufel glaubte er damit zu erreichen? Sie fühlte sich bloßgestellt und degradiert. Wenn er nicht mit ihr zufrieden war, sollte er ihr das ins Gesicht sagen.
    Ich bin draußen, du bist drinnen. Deine Zeit zu wählen ist abgelaufen.
    Sie nahm den Korb mit den Einkäufen von der Rückbank und versuchte, die Demütigung hinter sich zu lassen und rein professionell zu handeln. Aber es fiel ihr schwer. Wie die meisten Untersuchungshäftlinge betrachtete er seine Lage als einen Schicksalsschlag, der ihn entweder zu Unrecht oder unverhältnismäßig schwer getroffen hatte. Sie als seine Pflichtverteidigerin hatte nichts anderes zu tun, als das der Welt, dem Haftrichter und dem Staatsanwalt so schnell wie möglich zu erklären. Er hatte wirklich geglaubt, nach einer Nacht in der Ausnüchterungszelle wieder entlassen zu werden.
    Erst hatte er sie angebrüllt, dass die Wände zitterten. Dann, als sie ihn mit den Ermittlungen in Richtung Totschlag, wenn nicht gar Mord konfrontiert hatte, war er auf seinem Stuhl zusammengesunken, den Kopf in den schweren Händen vergraben, und hatte geschwiegen. Als sie fertig war und ihn gefragt hatte, ob er schuldig oder unschuldig sei, hatte er noch nicht einmal geantwortet.
    »Wo soll das gewesen sein?«, fragte er schließlich.
    »Auf dem Friedhof von Janekpolana. Luftlinie keine fünfhundert Meter von Ihrem Haus in der Siedlung entfernt.«
    »Wie geht es meinem Vater?«
    Sie hatte in den Akten geblättert und den Auszug aus dem Melderegister gefunden. Jacek Zieliński, 42, lebte mit seinem Vater Marek, 82, in einer Siedlung außerhalb des Dorfes, die aus nicht viel mehr als einem leeren, verfallenden Herrenhaus, einem Wirtschaftsgebäude und ebenjenem Friedhof am Ufer der Odra bestand. Darum herum Wiesen, Berge, Äcker und Wälder. Sie wusste nicht, was er arbeitete. Als Beruf hatte er noch während der ersten, ziemlich erfolglosen Befragung Automechaniker angegeben und war dann auf Winzer umgeschwenkt. Das eine so glaubwürdig wie das andere. Aber vielleicht hatte er dort eine Werkstatt. Das würde auch das Tatwerkzeug erklären, eine Eisenstange, die man am Morgen vor dem Haus gefunden hatte.
    Da hatte die Leiche des Mannes aus Hamburg bereits auf dem Seziertisch gelegen. Die Tatwaffe und die Wunde am Kopf passten zueinander wie Yin und Yang.
    »Ihrem Vater geht es den Umständen entsprechend gut.«
    Er hatte hochgesehen, mit einem wütenden, beinahe flammenden Blick. Zuzanna hatte zum ersten Mal das Gefühl gehabt, dass er sie damit verbrennen könnte. Er war gefährlich. Sie war froh gewesen, dass zwei Aufseher mit im Raum waren und sie aufmerksam beobachteten.
    »Den Umständen entsprechend! Was soll das heißen? Wie geht es einem Greis, wenn sein Sohn unschuldig im Gefängnis sitzt?«
    »An der Tatwaffe wurden Ihre Fingerabdrücke festgestellt. Die Fußspuren am Tatort passen zu den Gummistiefeln, in die Sie gleich nach dem Aufstehen gesprungen sind. Dazu Blutspuren an der Kleidung, die Sie glücklicherweise nicht auch noch im Bett getragen haben, sonst hätte die Spurensicherung dort …«
    »Ach ja? Sie sollten sich mehr dafür interessieren, wie ich hier wieder herauskomme, als dafür, was ich im Bett anhabe!«
    Jetzt reicht’s!
    Sie schlug mit der Hand auf das Papier. »Ich lese Ihnen nur vor. Haben Sie das verstanden? Ich bin hier, weil Ihnen nach dem Gesetz ein Anwalt zusteht.«
    Sei froh, dass ich nichts Besseres zu tun habe, als mich von dir verarschen zu lassen.
    Diese Frau in Berlin hatte sie suchen sollen, weil er ihr nicht traute. Warum nicht? War sie zu jung? Wirkte sie überfordert? Sie ahnte die Antwort, und sie gefiel ihr nicht.
    Er weiß, dass du ihn für schuldig hältst.
    Sie hoffte, dass er sich mittlerweile beruhigt hatte und über seine Situation im Klaren war. Nachdem sie die Kontrollen hinter sich gebracht und ihre Handtasche

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