Versunkene Gräber - Roman
überlassen.
18
Ich erwischte Zuzanna offenbar auf dem Weg ins Büro, denn sie hörte sich gehetzt an und war etwas außer Atem. Sie hatte schlechte Laune, aber ich verbuchte die Annahme meines Anrufs als Fortschritt auf dem steinigen Weg unserer ganz persönlichen deutsch-polnischen Freundschaft.
»Ich muss wissen, wie die Besitzverhältnisse in Janekpolana waren.«
»Warum denn das?« Ihre Stimme klang gereizt.
»Ich vermute, dass Horst Schwerdtfeger eine Art Heimattourist war. Er hat eine kleine Summe Geld geerbt. Vielleicht wollte er ein Haus kaufen.«
»Und?«
»Vielleicht wollte er es zurück kaufen.«
»Mit dreißigtausend Euro?«
Ich verkniff mir die Bemerkung, dass ich auf meiner Fahrt übers Land Gebäude gesehen hatte, für die fünfzig Cent noch zu viel gewesen wären. Übrigens auf beiden Seiten der Grenze.
»Sein Vater hieß Helmfried Hagen.«
»Moment.« Ich hörte das Klicken eines Kugelschreibers. »Hagen.«
»Falls es in Janekpolana einmal ein Haus gegeben hat, das einer Familie Hagen gehört hat, wäre das doch ein erster Hinweis.«
»Auf was?«
»Auf das Motiv.«
Stille. Ich hörte, wie sie tief Luft holte.
»Hagen kam aus Grünberg«, fuhr ich fort. »So abwegig scheint mir der Gedanke also nicht zu sein.«
»Sie meinen … Ich kümmere mich darum.« Sie legte auf.
Verdutzt starrte ich den Hörer an. Was hatte ich falsch gemacht? Auf welche Fährte hatte ich sie gesetzt? Sosehr ich mir den Kopf zerbrach, ich kam nicht darauf.
Meine nächste Aufgabe bestand darin, an Cordt Sinter heranzukommen. Auf seiner Internetseite präsentierte er sich mit einem beeindruckenden Lebenslauf. Studium an der FU Berlin, Erstes juristisches Staatsexamen mit »voll befriedigend« – na ja –, Zweites Staatsexamen ebenso. Danach Ausbildung zum Berufungsanwalt, Singularzulassung – sieh an! –, Promotion über, ab da wurde es interessant, »die zivilrechtlichen Auswirkungen der Herstellung der Deutschen Einheit auf die Bodenreform des Lubliner Komitees«. Nach dem Wegfall der Singularzulassung am Oberlandesgericht spezialisierte er sich auf Völkerrecht. Dann sattelte er um. Wechselte die Sozietät. Vom Völkerrecht zum Müllmann. Ein Anwalt, der den Dreck anderer Leute unter den Teppich kehrte. Die kleine Anastasia …
Es war noch nicht einmal zehn, und ich war schon erledigt. In der Kaffeeküche braute ich mir einen doppelten Espresso. Warum hatte Sinter das Metier gewechselt? Warum trat ein Völkerrechtler in eine Kanzlei ein, die sich hauptsächlich um den guten Ruf anderer Leute kümmerte?
Ich ging zurück in mein Büro und wählte die Nummer von Sinters Kanzlei. Sofort hatte ich die frische Stimme einer jungen Frau am Apparat. Ich bat darum, zu Cordt Sinter durchgestellt zu werden, und sie fragte selbstverständlich, in welcher Angelegenheit.
»Das ist etwas heikel«, sagte ich.
»Das sind fast alle unsere Fälle«, antwortete sie mit genau der Prise persönlichem Mitgefühl, die Hilfesuchende brauchten.
»Es geht um die Vereinbarung, die Herr Sinter im Auftrag der Familie Camerer und Hagen mit Herrn Horst Schwerdtfeger geschlossen hat.«
Ich sagte das in jenem Ton, den ich bei Marquardt immer heimlich bewunderte: als ob ich jedes Komma dieser Vereinbarung selbst gesetzt hätte, obwohl ich in Wirklichkeit nichts anderem als einer Vermutung nachging.
»Camerer und Hagen, sagen Sie?«
Ich konnte fast sehen, wie sie Habachtstellung annahm.
»Ja. Ich vertrete Maria Fellner, geborene Schwerdtfeger. Sie steht in direkter Erbfolge von Horst Schwerdtfeger, dem unehelichen Sohn von Helmfried Hagen. Er ist letzte Woche überraschend verstorben.«
»Verstehe. Ich kann Ihnen einen Termin mit unserem Notar nächste Woche anbieten. Er wird Ihnen sagen können, ob es eine solche Vereinbarung gegeben hat.«
»Das kann auch Herr Sinter.«
»Es tut mir leid, aber …«
»Zudem brauche ich Einsicht in den Ehevertrag von Helmfried Hagen mit Waltraud Camerer sowie in alle testamentarischen Verfügungen.«
»Das ist nicht …«
»Ich bin mir sicher, dass wir zu einer Einigung kommen werden, mit der alle Parteien zufrieden sind. Die Dringlichkeit meiner Anfrage rührt von einem Angebot her, das Frau Fellner von einer großen deutschen Boulevardzeitung vorliegt. Ein Angebot im gemäßigten sechsstelligen Bereich. Ich bin von ihr beauftragt, die Alternativen auszuloten.«
»Verstehe.«
Gut .
»Die Frist für dieses Angebot läuft morgen Mittag ab.«
»Ich werde es ausrichten.«
Besser
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