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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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glitt ich aus dem Bett, warf mei­ne Sa­chen in ei­ne Ta­sche und glitt zur Tür. Dann, ei­ner Ein­ge­bung fol­gend, nahm ich Kai-Yus zu­ge­stöp­sel­tes Fläsch­chen aus dem Spei­cher und ver­stau­te es eben­falls in der Ta­sche. Ich ver­ließ die Woh­nung, eil­te durch die früh­mor­gend­li­che Stil­le der Kup­pel zur Sta­ti­on und stieg in einen Zug nach Lu­na. Wäh­rend der nächs­ten neun­zig Mi­nu­ten war mein Geist ge­nau­so leer und öde wie die Land­schaft au­ßer­halb der Röh­re.
    Tief im In­nern mei­nes Kör­pers rühr­te sich zum ers­ten­mal ein leich­ter Schmerz.
     

38
     
    In je­ner Nacht konn­te ich kei­nen Schlaf fin­den. Ich wur­de ge­plagt von dem trü­ben Glanz in Pauls Au­gen, von plötz­lich auf­flam­men­den, alp­traum­haf­ten Bil­dern der Ver­gan­gen­heit, an die ich mich wi­der Wil­len er­in­ner­te, von dro­hen­dem Un­heil, das an zu­künf­ti­gen Schre­ckens­ge­sta­den auf mich lau­er­te. Ich ver­brach­te die Nacht zu­sam­men­ge­kau­ert in dem lee­ren Mi­na­rett, in die oran­ge­far­be­ne De­cke gehüllt. Rast­los be­ob­ach­te­te ich die fer­nen Ster­ne, und ich zö­ger­te im­mer wie­der, in die Ka­bi­ne zu­rück­zu­keh­ren, wo mich ei­ne fri­sche, schmerz­li­che Er­in­ne­rung er­war­te­te.
    Wäh­rend die­ser Nacht flamm­te wie­der der Schmerz in mei­nem Rücken auf, doch ich wisch­te die Pein un­duld­sam fort und fühl­te mich zu elend, um mich über die­sen leicht er­run­ge­nen Sieg über mei­nen Kör­per zu freu­en. Kurz vor der Mor­gen­däm­me­rung gab ich je­den Ge­dan­ken an Schlaf auf, ließ die oran­ge­far­be­ne De­cke ein­fach auf dem Bo­den des Mi­na­retts lie­gen und schlich hin­ab zur Kom­bü­se, um mir ein Früh­stück zu ma­chen. Trü­bes Licht tropf­te durch die Kü­chen­tür, und ich sah Jen­ny, die al­lein am Ar­beit­s­tisch saß, über ei­ne Tas­se Kaf­fee ge­beugt. Als ich ein­trat, hob sie leicht über­rascht den Kopf und ließ die Hän­de sin­ken, und der Blick, den sie mir zu­warf, drück­te bei­na­he Er­leich­te­rung aus.
    „Mor­gen“, sag­te ich. „Kann ich auch ei­ne Tas­se Kaf­fee ha­ben?“
    Sie nick­te mü­de, senk­te den Kopf wie­der und ver­barg das Ge­sicht hin­ter den Hän­den. Ihr schwar­zes Haar war durch­ein­an­der und zer­zaust, und un­ter den Au­gen la­gen dunkle Rin­ge. Ich schenk­te mir ei­ne Tas­se ein und such­te in der Spei­se­kam­mer nach ei­nem Bröt­chen. Nach­dem ich eins ge­fun­den hat­te, ging ich zur an­de­ren Sei­te der Kom­bü­se und schob es in den Back­ofen. Als ich an Jen­ny vor­bei­kam, hob sie ih­re Tas­se.
    „Kann ich bit­te noch et­was ha­ben?“
    Ich schenk­te ih­re Tas­se wie­der voll und stell­te sie vor ihr auf den Tisch, be­vor ich zum Back­ofen zu­rück­kehr­te. Ich hat­te nicht lan­ge blei­ben wol­len, doch es war schwie­rig, ih­ren Kum­mer ein­fach zu igno­rie­ren – zu­mal ich in mei­nem ei­ge­nen Elend ge­fan­gen war. An­statt Kaf­fee und Bröt­chen zu neh­men und da­mit ins Mi­na­rett zu­rück­zu­keh­ren, pla­zier­te ich bei­des auf dem Tisch, zog mir einen Hocker her­an und nahm ihr ge­gen­über Platz.
    „Konn­ten Sie nicht schla­fen?“ frag­te ich.
    Sie schüt­tel­te den Kopf, seufz­te dann und mas­sier­te sich mit stei­fen Fin­gern den Nacken. „To­bi­as ist ganz aus dem Häus­chen. Er hat sich ges­tern abend in sei­ner Ka­bi­ne ein­ge­schlos­sen und will nicht, daß ich in sei­ne Nä­he kom­me.“
    Ich nipp­te an dem Kaf­fee und be­ob­ach­te­te sie.
    „Als Sie ges­tern zu­rück­ka­men, schi­en er fast den Ver­stand zu ver­lie­ren“, sag­te sie, und ich schüt­tel­te den Kopf.
    „Dar­über will ich nichts hö­ren, Jen­ny. Bit­te. Ich ha­be be­reits ge­nug Pro­ble­me.“
    „Das sa­gen Sie im­mer“, gab sie ver­bit­tert zu­rück. „Sie ha­ben Pro­ble­me, er hat Pro­ble­me, al­le ha­ben Pro­ble­me. Und kei­ner will dem an­de­ren hel­fen.“
    „Ich bin nicht To­bi­as’ Am­me.“
    „Tia, bit­te, kön­nen Sie nicht ver­su­chen zu ver­ste­hen? Er ist nicht das, was Sie glau­ben. Er hat gu­te Grün­de für sein Ver­hal­ten, ich mei­ne, er …“ Ih­re Hän­de ges­ti­ku­lier­ten und ver­such­ten ver­geb­lich, die rich­ti­gen Wor­te zu

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