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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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er­we­cken Hän­de zum Le­ben, die auf mei­nem ver­fal­le­nen Kör­per ru­hen, star­ke Hän­de, von der Kraft und Wär­me der Ju­gend er­füllt. Sie be­we­gen sich, um mich zu pa­cken, hoch­zu­he­ben und fort­zu­schaf­fen. Wo wol­len sie mich de­po­nie­ren? Wo­hin wol­len sie mich fort­schaf­fen? Ins Ver­wer­tungs­sys­tem. In die stil­le und ent­setz­li­che Küh­le der Lei­chen­hal­le, in einen Zoo, in einen Zoo. Ich schreie. Ich schreie, bis das Uni­ver­sum plötz­lich einen schmerz­li­chen Kol­laps er­lei­det. Die Son­nen er­lö­schen, und ich blei­be al­lein zu­rück in der un­end­li­chen Schwär­ze.
    Plötz­lich kam ich wie­der zu mir, und als ich die Au­gen auf­schlug, schrie Greg mei­nen Na­men und dreh­te mich in den Ar­men her­um, so daß mein Ge­sicht ihm zu­ge­wandt war.
    Er hielt mich ganz fest, sei­ne Hän­de wie Schraub­stö­cke, und sein Ge­sichts­aus­druck war an­ge­spannt und be­sorgt. Ich kämpf­te mich aus sei­ner Um­klam­me­rung frei, schwank­te durchs Zim­mer und schal­te­te den Re­fle­xi­ons­schirm ein. Mein Spie­gel­bild sprang mir ent­ge­gen – ein schlan­ker Kör­per, wohl­pro­por­tio­niert, fest und ge­schmei­dig. Nur die star­re Lee­re in den Au­gen er­in­ner­te mich an das, was ich zu­vor ge­we­sen war. Wie ich sein wür­de. Greg nahm mich in die Ar­me, als ich ge­gen den Schirm tau­mel­te. Er wieg­te mich hin und her und trug mich zum Bett zu­rück.
    „Tia, Liebs­te, Tia, ist mit dir jetzt wie­der al­les in Ord­nung? Bist du wie­der bei Sin­nen, Tia? Ja?“
    Lie­be und Kraft, Wär­me und Ge­bor­gen­heit. Ich sprang her­aus aus die­ser Sphä­re der Be­hag­lich­keit, lehn­te mich mit dem Rücken an die ge­gen­über­lie­gen­de Wand und sah ihn an. Er saß auf dem Bett, ein­gehüllt von dem mat­ten Blau des Kraft­fel­des, und er mach­te einen ver­wirr­ten Ein­druck.
    „Ich wer­de ster­ben“, flüs­ter­te ich, und dann noch ein­mal, lau­ter: „Ich wer­de ster­ben, Greg.“
    „Aber Liebs­te, letzt­end­lich wer­den wir al­le ster­ben, auf die ein oder an­de­re Wei­se. Komm zu­rück ins Bett.“
    „Nein, du ver­stehst nicht. Ich wer­de ster­ben. Erst al­te­re ich, be­kom­me Fal­ten und Run­zeln und wer­de häß­lich, und dann schließ­lich st­er­be ich.“
    „Nein, das ver­ste­he ich wirk­lich nicht. Tia, was ist los? Bist du noch im­mer auf dem Trip?“ Er warf einen Blick auf das Chro­no­me­ter an der Wand.
    „Nein, Greg, mein Lieb­ling, hör mir zu. Sie ha­ben nicht funk­tio­niert. Die Be­hand­lun­gen funk­tio­nie­ren nicht bei mir, über­haupt nicht …“
    „Das glau­be ich nicht. Du bist noch im­mer nicht ganz bei dir. Es ist mei­ne Schuld, ich ha­be dir ei­ne zu große Do­sis ge­ge­ben. Komm, leg dich hin und schlaf; es ist bald vor­bei.“ Er lä­chel­te, nach wie vor be­sorgt, und brei­te­te die Ar­me für mich aus.
    Das Kom­ter­mi­nal, hier, di­rekt ne­ben mir. Es ge­lang mir, das Zit­tern mei­ner Hän­de lan­ge ge­nug zu un­ter­bin­den, um die Co­de­num­mer ein­zu­ge­ben, die die über mich im Be­hand­lungs­zen­trum ge­spei­cher­ten Da­ten frei­gab, sam­mel­te die Aus­dru­cke ein und reich­te sie Greg.
    „Hier. Lies das.“
    „Nein. Tia, es ist schon spät. Schla­fen wir, das hier geht vor­bei, komm jetzt.“ Er nahm mir die Blät­ter aus der Hand und leg­te sie auf den Bo­den, oh­ne auch nur einen Blick dar­auf zu wer­fen. Dann trug er mich er­neut ins Bett und drück­te mich fest an sich. Sei­ne Wei­ge­rung, einen Ge­dan­ken an mei­ne Sterb­lich­keit zu ver­schwen­den, er­schi­en mir als die grau­sams­te Iro­nie, die ich bis­her er­lebt hat­te. Und ich lag still in sei­ner Um­ar­mung, be­siegt.
    Die Zeit ver­ging. Und als er glaub­te, ich sei ein­ge­schla­fen, stand er auf, nahm die Pa­pie­re zur Hand und las sie in dem mat­ten Schim­mer der einen Glüh­ku­gel durch. Die Blät­ter ra­schel­ten lei­se, als er sie ei­nes nach dem an­de­ren stu­dier­te und dann fal­len ließ. Schließ­lich kehr­te er ins Bett zu­rück, nahm mich wie­der in die Ar­me und wieg­te uns bei­de. Dort, wo sein Ge­sicht mei­nen Hals be­rühr­te, spür­te ich ein paar über­ra­schen­de Trop­fen Feuch­tig­keit.
    Als er schlief und gleich­mä­ßig und ge­räusch­voll at­me­te,

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