Versunkene Inseln
finden.
„Lieben Sie ihn?“
„Ob ich ihn liebe?“ Sie sah mich verblüfft an. „Ich weiß nicht, darüber habe ich noch nicht nachgedacht …“
„Warum machen Sie sich dann dauernd Sorgen um ihn? Wenn er ein egozentrischer Scheißkerl sein will, dann ist das seine Sache, nicht die Ihre. Und meine ebenfalls nicht.“
„Aber Sie können ihn nicht einfach links liegenlassen …“
„Hören Sie, wenn er etwas von mir will, dann kann er mich fragen. Und er hat es mehr als deutlich gemacht, daß er nichts von dem braucht, was ich ihm geben könnte. Hören Sie auf damit, ihn mir sympathisch machen zu wollen, Jenny. Das geht einfach nicht.“
„Sie nehmen wohl niemals Anteil an den Sorgen und Nöten anderer, was?“
„Nicht, wenn ich es vermeiden kann.“
„Nicht einmal, was Paul angeht?“
Beinah hätte ich die Tasse fallengelassen. „Paul? Pauls Sorgen sollten mir etwas bedeuten? Ich werde Ihnen was über Paul erzählen, mein Kindchen. Hören Sie gut zu …“ Und ich erzählte es ihr, wider alle Vernunft, zornig und wütend. Sie starrte mich mit wachsender Verblüffung an, mit wachsendem Abscheu. Aber ich konnte nicht aufhören; ich mußte ihr alles entgegenschleudern, jedes einzelne Detail. Sie unterbrach meinen Vortrag mit einem spitzen Schrei, vergrub die Hände in ihren Haaren und zerrte an den Strähnen. Ich sprang auf die Beine, kam um den Tisch herum, packte sie bei den Schultern und schüttelte sie mit aller Kraft.
„Was jetzt? Schockiert? Ist Ihnen schlecht? Was jetzt, Jenny? Haben Sie Angst, er hätte das auch mit Ihnen anstellen können?“ Ich zwang die Worte durch die aufeinandergepreßten Zähne hindurch und schüttelte sie, bis das schwarze Haar ihr bleiches Gesicht zudeckte. „Würden Sie auch dafür Verständnis aufbringen, Jenny?“
Ich gab ihr einen Stoß, und sie fiel schreiend auf den Tisch. Ich wandte mich um und wollte die Kombüse verlassen doch …
„Tia!“ rief sie.
Sie stemmte sich in die Höhe und starrte mich an. Tränen schwammen und glänzten in ihren Augen, und sie flüsterte: „Ich bin nicht so wie er.“
„Tatsächlich nicht?“ fauchte ich. Ich tastete mit der Hand zum Saum meines Haftanzugs, doch sie schrie auf, stieß sich mit solcher Wucht vom Tisch ab, daß er umstürzte, und rannte den Korridor hinunter. Ich starrte auf den hochkant stehenden Tisch, spürte Wut in mir empor keimen, Tränen, die meinen Blick verschleierten, dann wandte ich mich um und floh in das abgeschiedene Asyl des Minaretts.
39
Um zehn Uhr an diesem Morgen versammelten sich die Unsterblichen auf dem Mosaikdeck unter meinem Turm, um das Diebesgut des vorangegangenen Tages einzuordnen. Mehrere mit Beute beladene Schweber glitten aus dem Bauch des Schiffes und summten zur Mitte des Decks, wo die Immortalen in lockerem Halbkreis zusammengetreten waren, und Greville begann mit der Klassifizierung.
Wort fetzen flatterten mir durch die warme Luft entgegen, als Greville jedes einzelne Objekt beschrieb. Lange, dumme Vorträge über jeden Gegenstand, falsch identifizierte Artefakte, schwülstige Auslassungen über das Aussehen und die verschiedenen Formen, dann das Bieten und Feilschen. Hart bot wie üblich sowohl für sich selbst als auch für Harkness, der auf der Brücke geblieben war. Benito war wie gewöhnlich nicht dabei und hockte unten im Maschinenraum bei seinen innig geliebten Metallungetümen. Für ihn machte niemand ein Angebot. Jenny ließ sich nicht blicken, aber Paul bot ganz automatisch für alles und brachte so einen aufragenden Stapel Trödel in seinen Besitz.
Gütiger Himmel. Plastikbausteine, Modelle von Schweb wagen und Mondfähren, weiche Kunststoff windeln für Säuglinge. Plastikkrüge mit dünnen, gewölbten Vorsprüngen, Gummikugeln,
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