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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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Ge­ne­ra­tor zu, hob die Ar­me und um­faß­te Be­ni­tos Tail­le. Ich zö­ger­te nur einen Au­gen­blick, dann pack­te ich ihn ganz fest, zog ihn vor­sich­tig zum Bo­den her­ab und dreh­te ihn um. Sei­ne nar­bi­gen Lip­pen wa­ren hart auf­ein­an­der­ge­preßt, und sein Ge­sicht wies über­haupt kei­ne Ver­let­zung auf. Doch vorn auf sei­nem Hemd war ein deut­li­ches, scharf um­ris­se­nes Loch zu se­hen. Als ich den Kör­per auf den Bo­den leg­te, quoll ei­ne hell­ro­te, schwam­mi­ge Mas­se durch die Öff­nung in der Brust, und der Bu­ckel schrumpf­te zu­sam­men und gab da­bei ein lei­ses, mat­schen­des Ge­räusch von sich.
    Gre­ville, Har­kness und Hart hin­ter mir flo­hen aus dem Raum, und Paul er­brach sich.
     

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    Er­in­nerst du dich an Du­val? Du­val fängt Schmet­ter­lin­ge in Süd­afri­ka, Ma­ya mo­del­liert Akus­tiks­kulp­tu­ren auf dem Mars, Ge­or­ge ist ge­ra­de nach Mos­kau ab­ge­reist, um dort Arzt zu wer­den. Fuad hat ge­lernt, Raum­fäh­ren zu flie­gen, Va­len­tin ist noch im­mer in Pa­ris und trinkt, Tai-Li wird Vik­tors Ba­by auf­zie­hen, Be­ni­to ist tot.
    Er­in­nerst du dich an He­le­ne? He­le­ne hat ih­re Dis­ser­ta­ti­on über Re­la­ti­vi­tät ab­ge­schlos­sen, Pyotr tanzt Bal­lett, An­ge­li­que fährt Sand­kat­zen auf dem Mars. Ma­booi hat ein neu­es Or­bi­tal­ho­tel ent­wor­fen, Blair hat sich ver­liebt, Hel­mut wird in Athen Opern sin­gen, Paul ist an Bord der Ili­um und taucht, Be­ni­to ist tot.
    Er­in­nerst du dich an Lars? Lars webt Klei­der in Lon­don, Arieh ist ge­ra­de in sein Dorf in den Py­re­nä­en zu­rück­ge­kehrt, Jo­an­na will sich um ei­ne Ar­beit in den Ob­ser­va­to­ri­en be­wer­ben. Sa­tya­jit spielt Äthe­ro­phon für die Sym­pho­nia Ro­ma, Pau­li­ta be­ginnt da­mit, in Se­vil­la zu un­ter­rich­ten, Ka­tri­na ist noch im­mer un­ent­schlos­sen, Au­re­lia­no fer­tigt Mö­bel, Ian se­gelt über den Pa­zi­fik, Kyos­hi macht Kä­se, Ca­ri­na ver­han­delt ih­ren Fall vor dem Ge­richts­hof in Bern, Axel ist Va­ter ge­wor­den, Sze-Ya soll auf Dei­mos nach Gold schür­fen.
    Be­ni­to ist tot.
     

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    Es ist nicht ein­fach, in Lu­na un­ter­zut­au­chen. Trotz ih­rer Kom­ple­xi­tät ist es ei­ne klei­ne Stadt, in der bei­na­he je­der je­den kennt. Und wenn sich die Be­woh­ner ein­mal ein Ge­sicht ein­ge­prägt ha­ben, dann ver­ges­sen sie es nicht mehr. Ich stieg in der Bi­blio­theks­sta­ti­on aus, blieb vor den Gleit­bän­dern ste­hen und über­leg­te, wo­hin ich ge­hen und was ich tun soll­te. Als ich das Ticket nach Lu­na ge­kauft hat­te, war mein Orts­wech­sel ganz au­to­ma­tisch vom Kom­sys­tem auf­ge­zeich­net wor­den. Die Da­ten, die ich durch den Ver­brauch mei­ner Le­bens­mit­tel- und Was­ser­zu­wei­sun­gen, durch die Be­nut­zung der Trans­por­tein­rich­tun­gen hin­ter­ließ, wür­den mei­nen Weg ge­nau kenn­zeich­nen. Und ich hat­te schreck­li­che Angst, daß Greg oder ei­ner sei­ner Freun­de hier­her­kam, um mich zu su­chen, daß er mich dort­hin zu­rück­zu­brin­gen ver­such­te, wo­hin ich mich so sehr sehn­te. Wenn Greg zu mir käme, sag­te: „Komm mit, es spielt kei­ne Rol­le; flieg mit uns hin­aus“, dann wür­de ich nicht zö­gern. Dann ver­gä­ße ich die viel­ge­stal­te Qual, die mein Mit­kom­men nach sich zö­ge. Dann ver­gä­ße ich, wie ich in zwan­zig oder fünf­zig Jah­ren aus­sä­he. Dann ver­gä­ße ich, daß, wenn ich ihn tat­säch­lich so sehr lieb­te, wie das der Fall war, die­se Lie­be auch groß ge­nug sein muß­te, um ihm das zu er­spa­ren, was aus mir wer­den wür­de.
    Ich schul­ter­te mei­ne Ta­sche und mach­te mich zu Fuß von der Sta­ti­on aus auf den Weg. Ich be­nutz­te die Gleit­bän­der nur, wenn sich mir kein an­de­rer Weg bot, und ich wan­der­te ziel­los durch die Stadt. Am Kup­pel­him­mel wich die wei­che Schwär­ze der Kunst­nacht all­mäh­lich dem ro­sa­ro­ten und gol­de­nen Schim­mer der Mor­gen­däm­me­rung. Nach und nach be­gan­nen sich die Stra­ßen mit Men­schen zu fül­len. Zu­erst ka­men je­ne, de­ren Ar­beit ein frü­hes Auf­ste­hen er­for­der­te, dann die Mehr­heit der An­ge­stell­ten. Sie dräng­ten sich auf die Gleit­bän­der und

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