Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
Vom Netzwerk:
mich für einen die­ser jun­gen Va­ga­bun­den, die von Pla­net zu Pla­net und von Mond zu Mond zo­gen, dau­ernd plei­te und dau­ernd in Be­we­gung. Plei­te war ich ganz be­stimmt nicht: Mein Gut­ha­ben beim Lu­na Ci­ty Trust war mehr als aus­rei­chend. Doch die Mas­ke ei­nes Va­ga­bun­den kam mei­nen Wün­schen ent­ge­gen. Al­so er­wi­der­te ich ihr Lä­cheln, aß lang­sa­mer und hör­te ih­rer Plau­de­rei zu.
    Sie war frei­be­ruf­lich für Ter­ra-Zeit-Ge­sche­hen tä­tig, mach­te In­ter­views, Rei­se­be­schrei­bun­gen, al­les, was ihr in­ter­essant er­schi­en. Sie hielt sich schon zwei Mo­na­te auf dem Mond auf und woll­te in ei­ner Wo­che nach Bei­jing zu­rück­keh­ren, da sich, so sag­te sie je­den­falls, die Mög­lich­kei­ten des Mon­des er­schöpft hät­ten. Sie ließ ein, zwei wei­te­re Be­mer­kun­gen über Stre­cken­wär­ter fal­len, doch als ich nicht dar­auf ein­ging, schnitt sie die­ses The­ma nicht mehr an. Ich hör­te ihr zu, lä­chel­te und ver­riet nur mei­nen Na­men, den sie oh­ne­hin her­aus­ge­fun­den hät­te.
    „Nun“, sag­te sie beim Kaf­fee, „wenn Sie ge­ra­de von Ga­ga­rin ge­kom­men sind, dann möch­ten Sie sich be­stimmt frisch­ma­chen. Ich ha­be ein Apart­ment, nicht weit von hier.“
    Was in der Tat zu­traf. Ter­ra-Zeit-Ge­sche­hen muß­te sie sehr gut be­zah­len, denn das Apart­ment war eins der teu­ers­ten im teu­ers­ten Ho­tel von Lu­na. Es war mit den gan­zen neues­ten Raf­fi­nes­sen aus­ge­stat­tet, ein­schließ­lich emo­ti­ons­ge­steu­er­ter Erg wän­de, die in ei­nem tie­fen Rot glüh­ten, als ich aus dem prunk­vol­len Ba­de­zim­mer trat. Die Frau lag nackt auf dem Bett und war­te­te mü­ßig dar­auf, daß ich zu ihr kam. Al­so leg­te ich mich ne­ben sie und zahl­te für Tisch und Bett. Als sie schließ­lich von mir abließ, schlief ich so­fort ein.
    Ich er­wach­te kurz vor Ein­bruch der Nacht, und sie war be­reits an­ge­zo­gen und konn­te es kaum noch er­war­ten aus­zu­ge­hen. Ich ver­lor schnell mei­ne Furcht, Greg kön­ne mich auf­spü­ren, denn er wür­de be­stimmt nicht auf den Ge­dan­ken kom­men, in den prot­zi­gen und teu­ren Re­stau­rants und Nacht­klubs nach mir zu su­chen, in de­nen wir den Abend ver­brach­ten. Ich trank, wenn man mir ein Glas gab, tanz­te, wenn ich da­zu auf­ge­for­dert wur­de, und lach­te, wenn es mir pas­send er­schi­en. Ich ließ mich pas­siv von ei­ner Ak­ti­vi­tät zur an­de­ren an­lei­ten, bis wir schließ­lich in ihr Ap­par­te­ment zu­rück­kehr­ten, uns am frü­hen Mor­gen zwei Stun­den lang auf dem Bett her­um­wälz­ten und sie vollauf be­frie­digt ein­sch­lief. Ich lag ne­ben ihr, so mü­de, daß ich nicht schla­fen konn­te, und die zwi­schen mei­nen Ge­dan­ken ver­bor­ge­ne ver­rä­te­rische Flüs­ter­stim­me wis­per­te mir zu, dies sei ge­nau­so­we­nig ei­ne Lö­sung für mei­ne Pro­ble­me wie al­les an­de­re. Ich hat­te mich ver­kauft, ei­ne Lü­ge an die an­de­re ge­reiht und ihr ein Ge­sicht ge­zeigt, das nicht mein ei­ge­nes war. Es spiel­te kei­ne Rol­le, ob ihr die­ses Ge­sicht ge­fiel oder nicht. Wie man es auch dreh­te und wen­de­te, es war in je­dem Fall ein Be­trug, und ich mach­te mir selbst eben­falls et­was vor, so­lan­ge ich es trug. Von die­sen Ge­dan­ken ge­plagt und ge­quält, kroch ich aus dem Bett.
    Sie schlief wei­ter, wäh­rend ich dusch­te und dann mei­ne Ta­sche nahm und die Ho­tel­sui­te ver­ließ. Ich schritt rasch durch die fast lee­re Ein­gangs­hal­le und eil­te hin­aus in die nun dunk­le­ren Stra­ßen.
    Der Tou­ris­ten­be­zirk, in dem das Ho­tel lag, war noch im­mer hell er­leuch­tet und vol­ler Men­schen, selbst jetzt um vier Uhr früh. Die Ne­ben­stra­ßen aber, die Ge­schäfts- und Wohn­be­rei­che, wa­ren fins­ter und still. Ich be­trach­te­te die Ge­bäu­de­fron­ten, als ich da­hin­wan­der­te, stell­te mir die Be­woh­ner im In­nern vor. Sie schlie­fen tief und fest, die­se Mensch­heits­ver­wand­ten, die sich so sehr von mir un­ter­schie­den. Je­der ein­zel­ne die­ser so an­ders­ar­ti­gen Vet­tern und Nich­ten war ein­gehüllt in ei­ne Sphä­re der Un­be­schwert­heit, die ge­nährt wur­de von dem Wis­sen um ei­ne ewi­ge Ru­he –

Weitere Kostenlose Bücher