Versunkene Inseln
auf dem Weg nach Tai-Lis Laden ein Cafe gesehen zu haben, am Rande des großen Platzes, der das Zentrum des Restaurierungsgebietes darstellte, in dem das zwanzigste Jahrhundert verkörpert wurde. Ich wandte mich in die entsprechende Richtung.
Die Hitze tanzte und zitterte über der Straße, als ich das Kopfsteinpflaster hinter mir ließ und Asphalt betrat. Hier war der Übergang zwischen den Jahrhunderten abrupt. Strohgedeckte Fachwerkhäuser duckten sich neben hoch aufragenden Wolkenkratzern aus Glas – das eine genauso unecht und falsch wie das andere. Ich schritt um eine Ecke herum, und unmittelbar vor mir erstreckte sich die Piazza, die mit einigen Springbrunnen und Statuen geschmückt war. Einen Baum aber konnte ich nirgends entdecken. An allen Seiten war der Platz umgeben von Gebäuden des zwanzigsten Jahrhunderts, alle mindestens zehn Stockwerke hoch und von einer abstoßenden, kaum noch zu überbietenden Häßlichkeit. Sie schienen leicht zu schwanken, als ich durch die vor Hitze flirrende Luft zu ihnen aufsah. Hüpfer glitten auf der Piazza umher; Fußgänger waren nur wenige zu sehen. Das Cafe lag auf der gegenüberliegenden Seite, in einer Lache aus Halbdunkel und verlockenden Schatten unter Markisen und Sonnenschirmen. Ich lenkte meine Schritte dieser Oase der Kühle entgegen.
Als ich ein Viertel des Weges zurückgelegt hatte, war ich in Schweiß gebadet, und mir schwindelte. Des Schattens beraubt, setzte ich mich an einen Springbrunnen, befeuchtete den Ärmel meiner Bluse, wischte mir damit durchs Gesicht und blickte hinüber zum Cafe. Die Entfernung schien unüberwindlich. Ich hätte einen Hüpfer rufen sollen, dachte ich, doch da ich den Fußmarsch nun einmal begonnen hatte, wollte ich ihn auch zu Ende bringen. Ich stand auf und ging weiter, setzte einen Fuß vor den anderen auf den ätzend heißen Steinfliesen. Ich starrte auf die Platten vor mir: grauer Stein, weißer Stein, brauner Stein; grauer Stein, brauner Stein, schwarzer Haufen.
Schwarzer Haufen?
Der Haufen bewegte sich, und ich ging in die Knie. Eine Katze, auf dem Boden langgestreckt; sie hechelte flach. Eine alte Katze, schäbig, mitgenommen von alten Kämpfen, die unter der flüsternden Unendlichkeit von Gleitbändern oder auf den Plastikdächern einer gefälschten Vergangenheit ausgetragen worden sein mochten. Ich streichelte die Katze, doch sie ignorierte meine Hand und behielt die Augen geschlossen. Ihr Fell war so heiß, daß es mir beinahe die Finger verbrannte; sie hatte den Kopf unter den Bauch geschoben in dem vergeblichen Versuch, so etwas Schatten zu finden. Eine alte Katze, die auf den Platz gekommen war, um zu sterben? Eine alte Katze, die hier nicht den Tod gesucht hatte, aber dennoch starb? Ich war davon überzeugt, daß sie keine halbe Stunde mehr zu leben hatte, wenn sie hier im prallen Sonnenlicht blieb. Ich hob sie vorsichtig auf, öffnete den oberen Haftsaum meines Kostüms und schob die Katze ins Innere meiner Bluse. Dann setzte ich den Marsch in Richtung Cafe fort.
Ich gelangte an einen weiteren Springbrunnen, schöpfte mit der Hand ein wenig Wasser und bot es der Katze an. Sie ignorierte es. Daraufhin tauchte ich den Finger ins Wasser, preßte ihn ins winzige Maul der Katze und schaffte es, einige Tropfen ihre Kehle hinabrinnen zu lassen. Doch das Tier blieb genauso apathisch wie zuvor, und nur das leichte Heben und Senken des Bauches zeigte mir an, daß es noch lebte. Ich spritzte Wasser auf meine Bluse, hoffte, es würde sowohl mir als auch der Katze Kühlung verschaffen, konzentrierte mich auf das immer noch ferne Cafe und setzte mich wieder in Bewegung.
Grauer Stein, brauner Stein, marmorierter Stein, schwarzer Stein, brauner Stein, weißer Stein, grauer Stein. Wie viele Steine gibt es im Universum? Wie viele auf diesem kochendheißen und öden Platz? Meine Füße waren Felsmonolithe, Nacken und Kopf ebenfalls. Mein Haar bestand aus gesponnenem Granit, meine Arme aus Marmor, die Katze aus Blei. Eine alte Katze aus Blei. Eine alte Tia aus Blei. Weißer Stein, grauer Stein, brauner Stein, weißer Stein und plötzlich Schatten und Stimmen. Ich sah auf und stellte fest, daß ich mich im Cafe befand.
Um mich herum erstarben die Stimmen in konzentrischen Kreisen. Ich ließ mich müde auf einem hölzernen Stuhl nieder, holte die Katze aus meiner Bluse und legte sie auf den Tisch vor mir.
„Bringen Sie mir etwas Wasser“, bat ich den Kellner halblaut, und er kehrte sofort mit einem Glas zurück. Ich befeuchtete
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