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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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ihm.
    „He, du solltest hierbleiben, weißt du“, rief ihr Lonnie nach. „Nach dem Abendessen hat er immer schlechte Laune, das ist gut für seine Verdauung. Laß ihn schmollen.“
    Doch Jenny schüttelte den Kopf und folgte ihrem Liebhaber aus dem Raum. Lonnie grinste, zuckte mit den Achseln und wandte sich wieder ihrer Mahlzeit zu, doch das Gespräch erstarb nun.
     

28
     
    Zwei Jahre bevor Paul und Jenny zur Ilium kamen, war ich in Rom, um einen neuen Ventilsatz für mein Unterwasser-Atemgerät zu erwerben. Wie jeder Platz von historischer Bedeutung ist auch Rom zum Teil wiederaufgebaut und renoviert worden und bot sich nun als neu-antike Stadt dar. Jeder Hügel markierte eine ganz bestimmte Epoche, jedes Tal spiegelte eine ganz bestimmte Lebensweise wider, die bereits seit Jahrhunderten nicht mehr existierte.
    Die Grenzflächen zwischen den Fastecht-Kopien dieser Jahrhunderte waren mal scharf und abrupt, und manchmal gingen sie in einem Durcheinander aus Zeitaltern und Stilrichtungen ineinander über. Tai-Lis Laden lag tief im mittelalterlichen Sektor. Kopfsteingepflasterte Straßen und Gassen, Häuser und Schuppen, die zu einem engen Labyrinth zusammengepackt waren, ohne daß man sich darum gekümmert hätte, wie die Bebauung hier während der dargestellten Epoche tatsächlich gewesen war, malerisches und simuliertes Elend inmitten nicht dazu passender Springbrunnen und Prachtstatuen.
    Doch Rom ist eine zu weltoffene Stadt, als daß sich hier die Unsterblichen isolieren könnten, die sich, für ein oder zwei Dekaden, ganz dem Alltagsleben eines vergangenen Zeitalters verschrieben. Man muß zu den Pyrenäen reisen, um Ortschaften zu finden, wo Ergfelder streng verboten sind. Man muß weit ins südafrikanische Grasland vorstoßen, um Dörfer zu entdecken, deren Bewohner so uralte Kulturen nachleben, daß selbst den glühendsten Nostalgikern der Zutritt versagt ist. Die Unsterblichen handhaben ihre Lebensart-Spiele mit großem Enthusiasmus, und wenn sie ihrer überdrüssig werden, dann hüpfen sie quer durch die Jahrhunderte und wechseln die Kulturen so unbekümmert wie ihre Kleidung – und mit ähnlich geringer Kenntnis von der inneren Struktur. In Rom jedoch ist die Altehrwürdigkeit nur eine oberflächliche Illusion: Die Ergmöbel ahmen hölzerne Tische, steinerne Bänke, Tierfellteppiche und Vorhänge nach. Damals war ich noch damit beschäftigt, mein Haus zu renovieren und umzubauen, und ich saß in Tai-Lis Laden, nippte an bitterem Kaffee und dachte mit Verachtung an das Epochenspiel der Unsterblichen.
    Tai-Li nahm den neuen Ventilsatz aus einem Kasten und strich mit den Fingern darüber hinweg.
    „Es ist eine fast völlig echte Nachbildung“, sagte sie. „Wissen Sie, ich sagte fast, weil ich nicht die ursprünglichen Materialien verwenden wollte. Das Gummi gibt der Atemluft einen schalen, abstoßenden Geschmack. Das hier ist stabilisiertes Plastihl, ein Kristall eigentlich. Der Satz läßt sich hier an die Schläuche anschließen und mit diesem Ende an die Maske. Sie sollten keine Probleme damit haben. Wenn doch, dann lassen Sie es mich bitte wissen.“
    „Wenn das der Fall ist, werde ich wohl kaum noch in der Lage sein, Sie darüber zu informieren“, entgegnete ich und stellte die vibrierende Tasse ab.
    „Sind Sie mit den anderen Ausrüstungsgegenständen zufrieden?“ fragte sie, als sie den Satz einpackte.
    „Ja. Der Naßanzug ist wirklich sehr brauchbar; er funktioniert bestens. Sie haben gute Arbeit geleistet, Tai-Li.“
    „Das mache ich immer“, gab sie zurück und streckte mir die Zahlplatte entgegen. Ich preßte den Daumen auf die schwarze Oberfläche. Der Bestätigungssensor glühte, und mein Einkauf war abgeschlossen und bezahlt. Tai-Li geleitete mich zur Tür. Wir verabschiedeten uns, und sie war erleichtert, daß ich ging. Tai-Li schätzte es, Geschäfte mit mir zu tätigen. Das lieferte ihr eine solide Rechtfertigung dafür, weiterhin ihrem Hobby zu frönen und die gummierten Wunder vergangener Tage nachzubauen. Doch in meiner Nähe war ihr genauso unbehaglich zumute wie allen anderen.
    Einen Augenblick lang stand ich im heißen Sommersonnenschein und überlegte, ob ich mir ein kühles Glas genehmigen sollte, bevor ich die Röhre aufsuchte und nach Hause zurückkehrte. Wenn ich irgendwo Platz nahm, würden mich alle anstarren. Nun, sollten sie. Mir stand der Sinn nach einem Drink, und wenn ich alle anderen Gäste vertrieb, so war mir das gleichgültig.
    Ich erinnerte mich daran,

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