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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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Bewohner im Innern vor. Sie schliefen tief und fest, diese Menschheitsverwandten, die sich so sehr von mir unterschieden. Jeder einzelne dieser so andersartigen Vettern und Nichten war eingehüllt in eine Sphäre der Unbeschwertheit, die genährt wurde von dem Wissen um eine ewige Ruhe – einer Ruhe, die ebenso unwandelbar war wie sie selbst. Und es waren diese Menschen, die mich angaffen und über mich kichern würden, wenn sich das Absonderliche an und in mir nach und nach deutlicher zeigte. Sie würden mein Elend noch verstärken, indem sie mich voller Abscheu anstarrten, hinter vorgehaltener Hand über mich tuschelten und auf mich zeigten – und vielleicht auch Angst vor mir hatten. Und wie mochte ich darauf reagieren? Indem ich ihnen meine Häßlichkeit verkaufte, so wie ich tags zuvor meine Attraktivität prostituiert hatte? Indem ich einen Abend mit Tia der Hexe versteigerte, etwas, über das man noch in zwei Jahrhunderten auf einer Party sprechen konnte? Trotz all des Melodramas und der Banalität dieser Fragen waren sie durchaus begründet, und sie ließen mich nicht los. Nein, entschied ich, ich würde mich für nichts von all dem hergeben. Sollten sie ihre Monster und Horrorgestalten woanders suchen – denn ich würde einen anderen Ort finden, an dem ich mein Leben einrichten konnte. Tia Hamley verzichtete auf die Stelle des Lieblingsscheusals. Tia Hamley kam auch so zurecht, ohne Australien.
    Und ich setzte diesen Entschluß sofort in die Tat um. Das Johns-Rastegar-Forschungszentrum brauchte jemanden, der sich um das Solarobservatorium kümmerte – fünf einsame Jahre im Orbit der Sonne, Holoprojektoren und Lesekuben, vollständig automatische Computersteuerung aller Funktionen, Simulatoren, gute Bezahlung, keine einschlägigen Fachkenntnisse notwendig. Zwei Jahre lang hatten sie jemanden für diese Arbeit gesucht, und sie nahmen mich ohne viel Aufhebens. Eine Woche, nachdem ich das Clarke-Observatorium verlassen hatte, brachte die Fähre mich und mein zerknittertes und verschmutztes Gepäck hinauf zur Station, und ich trat willig ein in den Kerker aus Abgeschiedenheit.
    Während meines zweiten Jahrs an Bord der Solarstation sah ich zu, wie die In die Ferne vom Mond aus der Sonne entgegeneilte, den gelben Feuerball umrundete und sich mit dem dadurch gewonnen Bewegungsmoment in die Schwärze des interstellaren Alls katapultierte.
    Ich hätte fast die Schleuse aufgerissen und wäre ihr hinterhergejagt.
     

43
     
    Ich saß in der Tauchkammer, und meine Beine baumelten über den Rand des Schachtes. Knapp einen Meter unter meinen Füßen wogte das Wasser sanft hin und her, gurgelte an die Schacht wände und schimmerte vor den transparenten Luken der Bereitschaftsnischen, in denen die Servos untergebracht waren. Salzgeruch stieg mir in die Nase und vermischte sich mit dem herben Aroma des eingepuderten Gummis von Tauchermaske und Naßanzug. Die Ausrüstung lag hinter mir, dort, wo ich sie kurz nach dem Beginn einer unnötigen Reinigung abgelegt hatte. Durchsetzt war diese Duftnote von dem Geruch der Kammer selbst, metallisch und steril. Der Boden unter mir vibrierte leicht.
    Paul hatte sich in seiner Kabine eingeschlossen und versuchte vermutlich, den Tod Benitos auf seine eigene Art und Weise zu verdauen. Ich verdrängte jeden weiteren Gedanken daran. Lonnie und Li schliefen, mit Beruhigungsmitteln vollgestopft. Harkness war sicher damit beschäftigt, Hart auf die übliche Art zu trösten. Und Tobias, der wie immer von Jenny begleitet wurde, hatte Benitos Stelle im Generatorenraum übernommen – so lange, bis vom Festland ein voll ausgebildeter Ingenieur eingeflogen werden konnte. Kurz nachdem die anderen geflohen waren, hatte ich die beiden im Maschinenraum zurückgelassen, dem Festland Bescheid gegeben und dann die Tauchkammer aufgesucht. Ich war bemüht, mich nur auf das Reinigen meiner Ausrüstung zu konzentrieren und ließ die Arbeit kurz darauf sein – die verschiedenen Einzelteile lagen verstreut neben und hinter mir auf dem Boden.
    Ich nahm die Sichtscheibe auf, streckte mich auf dem Boden lang aus und preßte die Kühle an meine Haut. Das Material des Anzugs kratzte auf Bauch und Oberschenkeln, und die Kälte richtete meine Brustwarzen auf. Die Sichtscheibe bedeckte die eine Hand, und ich betrachtete sie mit starrem Blick und fühlte mich schuldig.
    Schließlich war es meine Schuld, oder? Wenn ich mich nicht mit Benito gestritten hätte, wäre er nicht zornig gewesen, sondern ruhig und

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