Versunkene Staedte
er jeden Moment von den Häusermauern herabspringen. In seinen Augen funkelte ein Versprechen.
Diese Wirkung schien er auch auf andere Menschen zu haben. Wenn die Stadtbewohner an den Bildern des Kriegsherren vorbeigingen, falteten sie die Hände zum Gebet. Unter den Gemälden lagen kleine Essensgaben, Blumen oder Kerzen, als sei der General der Plünderergott oder eine der Parzen, nur noch machtvoller.
Sein Einflussbereich schien sich auf sämtliche Stadtbezirke am Kanal zu erstrecken. Wasserverkäufer, Nagelschuppen-Mädchen und sogar dreijährige Kinder trugen seine Farben, und seine Soldaten waren überall. Auf den StraÃen und Wasserwegen. Sie standen auf den Gehsteigen, rollten sich Zigaretten und beobachteten den Verkehr auf dem Kanal. Die Gottesarmee. Herrscher über diesen Teil der Stadt. Zumindest im Moment.
Ãhnlich wie bei der Schrotflinte, die Mahlia einem der Jungen abgenommen hatte, waren auch die Häuserwände der Stadt mit den Kennzeichen früherer Besetzer geschmückt. In den versunkenen Städten konnten sich die Fronten des Krieges schnell verschieben.
Die Gesichter anderer Kriegsherren waren mit den Farben der GA übermalt worden. Die Flaggen anderer Armeen waren übertüncht oder geschwärzt worden, aber hier und da war noch ein Rest davon zu sehen. Mahlia entdeckte sogar noch ein paar Slogans der Friedenswächter aus der Zeit des Waffenstillstands. Impfen bedeutet Leben. Schwerter zu Pflugscharen.
Mahlia sah einige Soldaten auf dem Gehsteig, die sie herüberwinkten. Die meisten von ihnen waren sehr jung, kaum älter als Mouse. Alle waren sie mit Sturmgewehren und Schrotflinten bewaffnet. Sie waren dürr und muskulös, und ihre nackten Oberkörper waren mit Narben übersät. Mahlia sah die unterschiedlichsten Hautfarben, schwarz, braun oder hell und sommersprossig, aber ihr Blick war genauso hart wie der ihres obersten Herrn. Und alle wirkten sie genauso selbstsicher und überheblich wie die Soldaten der VPF , die Mouse entführt hatten.
» Wer bist du, Mädchen? « , fragte einer von ihnen.
Mahlia sagte nichts. Der Bootsbesitzer antwortete für sie: » Sie gehört zu mir. «
Er holte Papiere heraus und reichte sie den Soldaten. Sie sahen die Papiere an und blickten dann wieder zu Mahlia hinüber. Mahlia fragte sich, ob sie überhaupt lesen konnten.
Der Bootsbesitzer sagte: » Ich habe ein Abkommen mit Kapitän Eamons. « Er hob einen Sack hoch und zeigte ihn den Soldaten. » Er wartet schon auf die nächste Lieferung. «
Die Jungen sahen sich den Sack an, warfen dann wieder einen Blick auf die Papiere und auf Mahlia.
Ihre Augen waren blutunterlaufen. Rotbrand oder Crystal Slide. Die Soldaten schluckten das Zeug, weil es ihnen im Kampf Vorteile brachte. Aber es machte sie auch wild und verrückt. Und Mahlia hatte plötzlich ein schlechtes Gefühl bei der Sache.
Die Soldaten lechzten nach dem Blut einer VerstoÃenen. Es spielte keine Rolle, ob sie unter dem Schutz eines Händlers stand. Oder ob es irgendein Abkommen gab.
Eine VerstoÃene würde niemals in die versunkenen Städte gelangen. Sie gehörte nicht hierher. Die Kriegsherren hatten das nur allzu deutlich gezeigt, als sie Mahlia und ihre Mutter zum ersten Mal vertrieben hatten. Leute, die mit den chinesischen Friedenswächtern zusammengearbeitet hatten, standen ganz weit oben auf der Abschussliste. Für die Kriegsherren und ihre Armeen waren sie auf ewig Verräter.
Einer der Jungen musterte sie von Kopf bis FuÃ. Er hatte nur ein Auge, was Mahlia an Tool erinnerte. Aber das Auge des Jungen war braun, und sein Blick wirkte unberechenbar und verrücktâ etwas, das Tool selbst in angriffsbereitem Zustand niemals war.
» Bist du eine VerstoÃene? «
Sie versuchte, etwas zu sagen, aber die Furcht schnürte ihr die Kehle zu. Sie schüttelte den Kopf.
» Klar bist du eine. « Der Junge sah den Bootsbesitzer an. » Was machst du mit einer VerstoÃenen, Alter? «
Der Bootsbesitzer zögerte. » Sie ist nützlich. «
» Ach, ja? Wie wärâs, wenn ich sie dir abkaufe? «
Mahlia wurde übel. Wie dumm sie doch gewesen war.
» Das Mädchen steht nicht zum Verkauf. «
Der Soldat lachte. » Denkst du etwa, du entscheidest hier, was zum Verkauf steht, Alter? «
Der Bootsbesitzer schüttelte den Kopf. Obwohl er ruhig wirkte, sah Mahlia, wie ihm der SchweiÃ
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