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Versunkene Staedte

Versunkene Staedte

Titel: Versunkene Staedte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
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Rollen, Drähte und Kabel. Selbst durch das Glas konnte sie das Stöhnen der Arbeiter hören.
    Sie wartete, bis sie vorbei waren, und blickte dann erneut in den Kanal hinaus, um sich zu orientieren. » Ja. Ich weiß, wo wir hinmüssen. Ist noch ein Stückchen. «
    Tool beschwerte sich nicht. Er hob sie einfach wieder auf seinen Rücken, und sie schwammen weiter. Stunden später erreichten sie den Ort, den Mahlia gesucht hatte.
    Sie tauchte als Erste auf, stieg aus dem Wasser und schlich sich in das Gebäude. Drinnen blieb sie stehen und lauschte. Betete, dass das Gebäude leer war. Außer dem Flattern von Tauben war nichts zu hören. Keine Stimmen. Kein Geruch nach Menschen. Nichts. Es war niemand da. Das Gebäude war unbewohnt.
    Mahlia kehrte zum Kanal zurück und gab Tool ein Zeichen. Der Halbmensch tauchte auf und folgte ihr in den Wohnturm aus ihren Erinnerungen.
    Als Mahlia jünger gewesen war, hatten ihr Vater und andere Friedenswächter in dem Gebäude gewohnt. Hier drinnen hatte Mahlia Chinesisch gesprochen wie ein zivilisierter Mensch. Draußen auf der Straße hatte sie die Sprache der versunkenen Städte benutzt, aber hier drinnen nur Mandarin.
    Sie hatte sich ohne Schwierigkeiten zwischen zwei Welten hin und her bewegt. Das hatte sie von ihrer Mutter. Die hatte auch problemlos zwischen verschiedenen Welten und Kulturen wechseln können. Die ausländischen Käufer hatten sie ernst genommen. Hatten darauf vertraut, dass die Antiquitäten, die sie verkaufte, echt waren. Und ihr eine Menge Geld bezahlt. Aber sie hatte sich auch in den versunkenen Städten ausgekannt. Hatte gewusst, wie sie an die Dinge herankam, die die Ausländer kaufen wollten. Sie war eine bessere Plünderin gewesen, aber die ausländischen Käufer hatten in ihr keine Betrügerin aus den versunkenen Städten gesehen, sondern eine respektable Antiquitätenhändlerin.
    Â» Was ist das für ein Haus? « , fragte Tool.
    Â» Hier bin ich aufgewachsen « , sagte Mahlia. » Früher haben hier eine Menge Friedenswächter gewohnt. Die Besitzer des Hauses hatten chinesische Vorfahren. Sie hatten einen besonderen Draht zu den Friedenswächtern. Wussten, was für Essen sie mögen, und so weiter. «
    Die Wohnungstür war eingetreten, und die Möbel waren klein gehackt und verbrannt worden. Soldaten hatten in der Wohnung kampiert, und danach auch noch irgendwelche Tiere. Ratten vielleicht, den Bergen aus zernagten Stofffetzen in den Zimmerecken nach zu urteilen.
    Mahlia stand in der Mitte der Wohnung und blickte sich um. Die Wohnung war kleiner, als sie sie in Erinnerung hatte. Früher war sie ihr riesig vorgekommen, jetzt wirkte der Flur viel kürzer, und die Decken waren niedriger. Sie öffnete eine weitere Tür und fand ihr Bett. Die Matratze fehlte. Sie entdeckte sie im Zimmer ihrer Mutter gegen das Fenster gelehnt. Die Matratze war verkohlt und hatte mehrere Löcher, so als hätte jemand sie vor das Fenster gestellt, um sich vor Gewehrfeuer zu schützen.
    Ihr ehemaliges Zuhause war ziemlich heruntergekommen. Einschusslöcher in den Wänden, leere Patronenhülsen auf dem Fußboden. Der Gestank einer ausgetrockneten Latrine. An den Wänden hingen noch ein paar Kunstwerke, aber über die Hälfte hatte jemand ein grünes Kruzifix gemalt.
    Tool durchstreifte die Zimmer wie ein Tiger. Vermutlich legte er im Geist wieder eine von seinen taktischen Karten an. Er untersuchte sämtliche Fenster, Türen und Zimmerwände und schaute sich an, wo die Wohnung auf den Kanal hinausging.
    Mahlia blickte aus einem der zerbrochenen Fenster. Direkt auf dem Fenstersims befand sich ein Nest, vielleicht von einer Taube oder einem Falken. Es sah jedoch seit Langem verlassen aus.
    Tool hatte ihr beigebracht, nicht nur nach Menschen, sondern auch nach Tieren Ausschau zu halten. Flüchtende Tiere oder auffliegende Vögel konnten ein Hinweis darauf sein, dass sich Soldaten näherten. Umgekehrt galt jedoch ebenso große Vorsicht. Wenn Mahlia hier oben ein paar nistende Tauben aufschreckte, verriet sie damit ihre Position fast genauso sicher, als wenn sie sich an ein Fenster stellen und hinausrufen würde.
    Unten auf dem smaragdgrünen Kanal ruderte irgendein Nudelverkäufer mit einem Boot vorbei. Mahlia war überrascht gewesen, dass in den untergegangenen Städten außer den Soldaten noch jemand lebte, aber Tool hatte gesagt,

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