Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Versunkene Staedte

Versunkene Staedte

Titel: Versunkene Staedte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
Vom Netzwerk:
sich, bevor sie sich an den Leichen der Soldaten zu schaffen machte. Sie säuberte ihre Körper und zupfte die blutigen, zerrissenen Kleider zurecht. Den Jungen mit dem gebrochenen Genick legte sie so hin, dass sein Hals nicht so stark verdreht war. Er war höchstens zehn Jahre alt. Kanonenfutter. Einer der Läusefresser, die zwangsrekrutiert und dann als Kugelfänger vorausgeschickt wurden. Noch nicht einmal ein richtiger Rekrut. Auf seiner Wange waren nur die ersten drei horizontalen Striche des Kennzeichens von Glenn Stern zu sehen.
    Â» Halbraute « , sagte Ocho. » Die leben meist nicht lange. «
    Mahlia sah zu dem Soldaten hinüber. » Nicht so wie du. «
    Goldfleckige Augen musterten sie, ohne zu blinzeln. » Wenn man am Leben bleiben will, muss man schnell lernen. Sonst fressen einen die versunkenen Städte zum Frühstück. « Er richtete sich auf und verzog schmerzerfüllt das Gesicht. » Aber das weißt du ja sicher. Ein Chinesenbalg wie dich habe ich schon über ein Jahr nicht mehr gesehen. Die Letzte hat der Leutnant einen Kopf kürzer gemacht. «
    Â» Werdet ihr das mit mir auch tun, wenn ich dich geheilt habe? Mich einen Kopf kürzer machen? «
    Ocho zuckte mit den Achseln. » Da musst du den Leutnant fragen. «
    Â» Machst du immer, was der Leutnant sagt? «
    Â» So funktioniert das nun mal. Ich befolge die Befehle des Leutnants. Und meine Jungs befolgen meine. « Er nickte in Richtung des Jungen, dessen Leiche Mahlia gerade säuberte. » Bis runter zu den Halbrauten. «
    Â» Ihm hat es aber nicht viel genützt. «
    Â» Früher oder später sind wir alle Kanonenfutter. Das macht kaum einen Unterschied. Wenn man es bis zu seinem sechzehnten Geburtstag schafft, ist man schon eine verdammte Legende. « Ocho hielt inne und sagte dann: » Wenn der Leutnant entscheidet, dich umzubringen, werde ich dafür sorgen, dass es schnell geht. « Er nickte in Richtung des Feuers, wo Soa gerade Fleisch von der gerösteten Ziege abschnitt. » Ich werde Soa nicht an dich heranlassen. «
    Â» Machst du dir so Freunde? Indem du versprichst, sie nicht zu foltern, bevor du sie tötest? «
    Ochos vernarbtes Gesicht verzog sich plötzlich zu einem Grinsen. » Verflucht. Für ein Chinesenbalg bist du ganz schön aufmüpfig. «
    Â» Ich bin kein Chinesenbalg. Ich stamme aus den versunkenen Städten. «
    Er lachte. » Trotzdem bist du aufmüpfig. «
    Er wirkte beinahe menschlich. So als hätte er nicht ein Dutzend Narben auf dem Bizeps.
    Vom Lagerfeuer war ein lautes Poltern zu hören, und Mahlia zuckte erschrocken zusammen. Sie sah zum Feuer hinüber. Ein Kochtopf lag auf der Seite, und Reis war auf dem Beton verstreut. Einer der Soldaten, ein dünner Junge, der beide Ohren verloren hatte, saugte an seiner Hand. Soa schrie ihn an: » Verdammt, Van! Du weißt doch, dass der Topf heiß ist, oder? « Er gab dem Jungen eine Backpfeife.
    Van wich zurück, und seine Hand tastete nach seinem Messer. » Wenn du mich noch mal anfasst, reiß ich dir die Eingeweide raus. «
    Â» Versuch’s doch, du Wurm. «
    Â» Klappe halten, ihr beiden! «
    Ocho saß aufrechter, als Mahlia für möglich gehalten hätte. Seine Stimme klang stählern. » Van, heb den Topf auf! Du verteilst, was drin geblieben ist, und isst selbst, was auf dem Boden gelandet ist. Soa, geh los und hol frisches Wasser. In dieser Einheit kämpfen wir nicht untereinander. Wir sind hier nicht bei der Gottesarmee. « Er wedelte mit der Hand. » Na los. Macht schon! «
    Â» Gibt es Probleme, Sergeant? «
    Leutnant Sayles Stimme kam von oben aus der Behausung des Arztes, wohin er sich zurückgezogen hatte. Sie klang drohend. Alle erstarrten. » Gibt es irgendetwas, das ich wissen sollte? «
    Â» Nein, Sir « , antwortete Ocho. » Nur ein bisschen was beim Kochen verschüttet, nicht wahr, Jungs? «
    Â» Ja, Sir « , riefen die Soldaten. Van schöpfte den Reis auf Palmblätter und reichte ihn an die anderen Jungs weiter, die mit dem Reis und einem Stückchen Ziege zu ihren Posten zurückkehrten. Erst als alle ihren Anteil erhalten hatten, sammelte Van den verschütteten Reis für sich selbst auf.
    Mahlia sah zu, wie die Soldaten das Kochgeschirr säuberten und aufräumten. Irgendetwas an der ganzen Situation kam ihr merkwürdig vor. Etwas stimmte da nicht. Sie überlegte,

Weitere Kostenlose Bücher