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Versunkene Staedte

Versunkene Staedte

Titel: Versunkene Staedte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
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schnüffelte Ocho noch einmal. Der Geruch schien von den Leichen auszugehen, die neben ihm lagen.
    Hatte der Halbmensch diesen Geruch hinterlassen? Er konnte sich nicht erinnern, schon einmal davon gehört zu haben, dass die Kreaturen einen bestimmten Geruch verbreiteten. Nur dass sie stark und schnell waren und schwer zu töten. Dieser Gestank war ziemlich furchtbar.
    Ocho wandte den Blick von den Toten ab, und Trauer durchströmte ihn. Jones, Bugball und Allende. Jetzt waren sie nur noch stinkende Leichen.
    Ocho hätte niemals damit gerechnet, dass jemand aus ihrer Truppe auf diese Weise sterben könnte. Von einer Töle in Stücke gerissen. Eher schon rechnete man mit einer Kugel in den Kopf. Oder damit, dass einem die Hände abgehackt wurden und man zum Sterben in einen Kanal geworfen wurde. Oder dass man von einer Landmine zerfetzt wurde, die noch aus der Zeit stammte, als die Tulane-Kompanie in dieser Gegend das Sagen gehabt hatte. Mit all diesen Todesarten hatte er sich schon seit Langem abgefunden.
    Stattdessen hatte ihn der unglaublich schnelle Hieb eines Halbmenschen erwischt und in einen Baum geschleudert. Kein Wunder, dass die Angeber mit den Handelsschiffen Halbmenschen als Wachen einsetzten. Diese Biester waren tödlich.
    Ocho strich mit der Hand über die Verbände auf seiner Brust. Sie hatten Glück gehabt, dass sie über den Arzt und die Verstoßene gestolpert waren. Die beiden hatten bessere Arbeit geleistet als die Quacksalber in den versunkenen Städten. Die sogenannten Ärzte dort wussten kaum, wie man eine Wunde verband.
    Ochos Blick wanderte zu dem Mädchen hinüber, das unter Storks Aufsicht gerade Töpfe abwusch. Sie hatte die meiste Arbeit gemacht. Der Arzt besaß das Know-how, sie aber war diejenige gewesen, die die Wunden genäht hatte. Jemanden mit solchen Fähigkeiten könnten sie in ihrer Truppe gebrauchen, auch wenn sie ein Chinesenbalg war.
    Ocho beobachtete, wie sie ihre Arbeit verrichtete. Trotz der fehlenden Hand war sie recht geschickt. Und auch nicht unansehnlich. Starke Wangenknochen, dunkelbraune Haut und die Augen der Friedenswächter. Aber ihr Gesicht hätte auch von Säure verätzt sein können, und sie hätte trotzdem Ochos Interesse geweckt. Es gab nicht viele Leute, die Wunden so gut vernähen konnten.
    Ocho nahm sich vor, sie dem Leutnant zu empfehlen. Vielleicht konnten sie sie rekrutieren. Allerdings müsste er Soa von ihr fernhalten, was nicht ganz leicht sein würde. Soa hegte irgendeine persönliche Abneigung gegen die Friedenswächter.
    Gerade winkte er wieder in die Richtung des Mädchens.
    Â» Komm her, Chinesenbalg. Putz mir die Stiefel. « Grinsend hob Soa ein Bein an. » Mit Spucke auf Hochglanz polieren. Aber dalli. Küss mir die Stiefel. «
    Ocho sah zu, griff aber nicht ein. Er wollte sehen, wie weit Soa dieses Spiel treiben würde. Soa gab einfach nicht auf. Er war zu undiszipliniert.
    Die Verstoßene richtete sich auf. » Du willst, dass ich dir die Stiefel putze? « , fragte sie.
    Angesichts ihres Tonfalls runzelte Ocho die Stirn. Er versuchte, sich zu konzentrieren, aber die Schmerzmittel betäubten seinen Geist. Irgendetwas an dem Mädchen stimmte nicht. Ihm lief ein Schauer über den Rücken. Dieser merkwürdige Moschusgeruch wurde auch immer stärker. Er war jetzt überall. Kam nicht mehr nur von den Leichen der Soldaten.
    Was zum Teufel war das?
    Die Kleine ging auf Soa zu. » Du willst also, dass ich dir die Stiefel putze, ja? « , fragte sie noch einmal.
    Ihre Körpersprache stimmte einfach nicht. Sie stand zu aufrecht da und blickte Soa direkt in die Augen.
    Ocho richtete sich mühsam auf, ohne auf die Schmerzen zu achten. Sie hatte ihre Furcht verloren. Vorhin hatte das Mädchen noch Angst vor Soa gehabt, jetzt nicht mehr. Sie hätte eine verängstigte kleine Kriegsmade sein sollen, die um Gnade bettelte. Stattdessen ging sie jedoch mit einem Lächeln auf Soa zu.
    Blut und Rost, dachte Ocho. Was hast du vor, Kleine?
    Ocho hatte einmal gesehen, wie ein Mädchen aus den Nagelschuppen mit einem Messer auf einen Soldaten losgegangen war, und sie hatte genauso ausgesehen wie die Verstoßene, die jetzt auf Soa zuging.
    Aber das Mädchen trug lediglich die Flasche mit dem Antibiotikum, die sie den ganzen Abend nicht aus der Hand gelegt hatte. Kein Messer. Nichts, das irgendwie gefährlich aussah. Trotzdem wollte sie sich

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