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Versunkene Staedte

Versunkene Staedte

Titel: Versunkene Staedte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
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rote Flagge von General Caroa, die über dem Feldlager im Kalkutta-Delta im Wind geweht hatte, als sie von der Tigergarde angegriffen worden waren.
    Böser Hund.
    Tool war ein böser Hund gewesen und deshalb am Leben geblieben. Er hätte auf den schlammigen Gezeitenebenen außerhalb von Kalkutta sterben sollen, wo das Wasser des Ganges auf den warmen Indischen Ozean traf und wo Leichen auf Wellen schwammen, die so rot waren wie General Caroas Flagge. Er hätte in Kriegen an fremden Küsten sterben sollen. Schon tausendmal hätte er tot sein müssen. Und doch war es ihm stets gelungen, am Leben zu bleiben.
    Keuchend blieb Tool stehen und sah sich im Wald um. Schillernde Schmetterlinge taumelten durch die roten Strahlen der Abendsonne. In den Baumkronen des Waldes wurde es langsam dunkel. Smaragdgrüne Blätter wurden grau, während die Nacht heranrückte. Die schwarzen Tropen– so wurde dieser Ort manchmal genannt, weil es hier im Winter so dunkel war. Eine drückend feuchte Umgebung, wo Pythons, Panther und Kojwölfe ihr Unwesen trieben. Mörderische Geschöpfe. Kaum zu ertragen, dass er selbst jetzt Beute war und immer schwächer wurde.
    Die Wärter hatten ihn wochenlang hungern lassen, und aus seinen unbehandelten Wunden tropfte der Eiter. Nur sein ungewöhnlich starkes Immunsystem hielt ihn überhaupt noch auf den Beinen. Jedes andere Geschöpf wäre schon vor Wochen den multiresistenten Bakterien erlegen, die in seinen Adern kursierten und sich in seinen Wunden festgesetzt hattenn. Aber auch seine Zeit lief langsam ab.
    Als er noch ein braver, treuer Hund gewesen war, hatten seine Herren solche Verletzungen behandelt und genäht. General Caroa hatte seine Kriegsinvestitionen stets gut geschützt und Tool die beste Pflege angedeihen lassen, damit er bald wieder zu einem Gott des Schlachtfeldes wurde. Brave Hunde hatten Herren, die sich um sie kümmerten.
    Hinter ihm war wieder das Bellen der Spürhunde zu hören. Näher diesmal.
    Tool stolperte weiter und zählte die Schritte, die ihm noch bis zum endgültigen Zusammenbruch blieben. Er wusste, dass seine Flucht zwecklos war. Er würde sich seinen Verfolgern ein letztes Mal stellen müssen. Zumindest würde er sagen können, dass er sich gewehrt hatte. Wenn er seinen Brüdern und Schwestern im Nachleben wiederbegegnete, würde er ihnen erzählen können, dass er sich nicht kampflos ergeben hatte. Er hatte alles verraten, was ihnen von Geburt an eingeimpft worden war, aber er hatte nicht aufgegeben…
    Salzsümpfe tauchten plötzlich vor ihm auf. Tool warf sich in das Wasser. Riesige Schlangen glitten von ihm weg– Pythons und Wassermokassinottern, die erkannt hatten, dass sie mit einem Geschöpf wie ihm nichts zu tun haben wollten. Er watete weiter in die Sümpfe hinein und stellte fest, dass sie unerwartet tief waren. Unter der Oberfläche verbargen sich mehrere Meter tiefe Wasserlöcher. Eine willkommene Überraschung.
    Mit einem Seufzen ließ sich Tool in den Schlamm sinken. Luftblasen stiegen um ihn herum auf.
    Er sackte immer tiefer hinab.
    Seine Nasenlöcher schlossen sich, und eine durchsichtige Membran legte sich über die Iris seines verbliebenen Auges, sodass er weiterhin sehen konnte, während er in den Tiefen des Sumpfes versank.
    Sollen sie mich ruhig jagen.
    Ãœber ihm war das Lärmen der Soldaten zu hören. Die Stimmen von Männern und auch anderen, die jünger waren. Manche noch so klein, dass Tool einen von ihnen an einem einzigen Tag hätte fressen können. Doch sie waren alle bewaffnet und standen unter Adrenalin. Ihre Rufe mischten sich mit dem Bellen und Trappeln der Hunde, das Tool etwas gedämpft durch das Wasser vernehmen konnte.
    Lautes Platschen vom Ufer her. Mit verwirrtem Bellen schwammen die Hunde umher und versuchten, seine Witterung aufzunehmen. Über seinem Kopf konnte er ihre paddelnden Läufe sehen. Wie wild gewordene Haie zogen sie ihre Kreise. Er könnte nach oben schwimmen und einen nach dem anderen hinabziehen…
    Tool widerstand nur mit Mühe dem Drang, sich auf sie zu stürzen.
    Â» Wo zum Teufel ist er hin? «
    Â» Psst! Hast du was gehört? «
    Â» Stopf deinen Hunden das Maul, Clay! «
    Es wurde still. Zumindest so still, wie Menschen und Hunde sein konnten. Selbst durch das Wasser hörte Tool noch ihre albernen Versuche, leise zu atmen.
    Schritte näherten sich durch das

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