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Versunkene Staedte

Versunkene Staedte

Titel: Versunkene Staedte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
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einem Hinterhalt lauerten. Ohne Tool wäre Mahlia ihnen direkt in die Arme gelaufen.
    Geräuschlos schlichen sie den neuen Pfad entlang. Mahlias Furcht wuchs. Die Stille war schrecklich.
    Plötzlich packte Tool sie, warf sie zu Boden und legte eine Hand über ihren Mund. Sie versuchte, sich loszureißen, doch dann waren Schüsse zu hören. Man hörte Schreie und das Lachen von Soldaten. Dann noch mehr Schüsse, und die ganze Zeit lag Tool neben ihr und hielt ihr den Mund zu, damit sie keinen Laut von sich gab und ihre Position verriet.
    Die Soldaten waren höchstens fünfzehn Meter von ihnen entfernt. So nahe. Sie hörte ein Stöhnen und Schluchzen im Rauch. Und dann Schritte. Es kam zu einem kurzen Handgemenge. Schließlich schrie jemand auf, und das Schluchzen verstummte.
    Â» Blöde Zivilisten « , sagte eine Stimme. Und jemand anders lachte. Die Soldaten. Sie standen direkt neben ihr. Nur wenige Meter entfernt. Langsam wurden ihre Stimmen wieder leiser. Ein weiterer Schmerzensschrei war zu hören.
    Tool gab Mahlia ein Zeichen, und dann schlichen sie sich im Rauch an den Soldaten vorbei. Mahlia betete, dass sie nicht husten musste und sich damit verraten würde. Schließlich hatten sie den Hinterhalt überwunden, und Tool bedeutete ihr, schneller zu laufen. Sie eilte hinter dem humpelnden Ungeheuer her, so schnell, dass sie beinahe über einige Leichen gestolpert wäre, die auf dem Weg lagen. Dutzende Tote waren überall verstreut. Mahlia blieb abrupt stehen und hätte vor Schreck fast aufgeschrien. Ihr stockte der Atem. Sie musste sich zur Ruhe zwingen.
    Es sind nur Tote. Von denen hast du in deinem Leben schon viele gesehen. Lauf einfach weiter.
    Sie stieg über die Leichen hinweg und gab sich dabei Mühe, nicht auf sie draufzutreten oder auf ihre Gesichter und das viele Blut zu achten. Und auch nicht Bobby Cross zu sehen, wie er da zerknickt am Boden lag.
    Aber noch während sie versuchte, den Teppich aus Leichen einfach zu ignorieren, registrierte sie mit einem Winkel ihres Verstandes auch die Art der Verletzungen, versorgte im Geiste die Wunden. Ihre medizinische Ausbildung drängte sie zu heilen, auch wenn längst nichts mehr zu heilen war. Im Geiste hörte sie Doktor Mahfouz, der sie mit ruhiger Stimme anwies, den Patienten als Erstes zu stabilisieren und dafür zu sorgen, dass Blutzirkulation und Atmung nicht behindert waren. Dann wurden die blutenden Wunden behandelt. Man legte Verbände an und schiente gebrochene Gliedmaßen…
    War sie wirklich schuld daran, dass die Dorfbewohner leiden mussten? War das die Rache der Soldaten dafür, dass Mahlia die Kojwölfe auf sie gehetzt hatte?
    Mahlia musste würgen. Und plötzlich kam alles an die Oberfläche. Der Arzt hatte recht. Egal, was man tat, alles wurde immer nur noch schlimmer. Eine Sache führte zur nächsten, bis das ganze Dorf tot war.
    Tool legte ihr die Hand vor den Mund. » Sei still! « , knurrte er. Und obwohl sie sich wehrte, ließ er sie nicht los. Er drückte ihr Gesicht gegen seinen Körper, sodass ihre Schreie und Schluchzer kaum zu hören waren.
    Â» Schluck’s runter « , flüsterte der Halbmensch. » Gefühle hat man hinterher. Nicht jetzt. Jetzt bist du eine Soldatin. Bist dem Rudel verpflichtet. Wenn du jetzt schlappmachst, wird dein Mouse sterben und du mit ihm. Fühle hinterher. Nicht jetzt. «
    Mahlia wischte sich die Tränen ab und nickte, und dann gingen sie weiter.
    Der Rauch lichtete sich ein wenig. Sie kamen zum Rand der verkohlten Felder, und überall flackerten Feuer. Raben pickten in den verbrannten Überresten herum. Auf der anderen Seite der Felder sah sie Soldaten. Die Gewehre im Anschlag standen sie um einen Mann herum, der am Boden lag.
    Â» Bei den Parzen. «

2 1
    Ocho wischte sich den Ruß aus dem Gesicht. Seine Jungs waren völlig erledigt. Das Feuerlegen hatte länger gedauert als erwartet. Die Felder waren nass, und die Dorfbewohner dazu zu bringen, ihre Ernte aus dem Boden zu reißen, sie mit Heizöl zu übergießen und anzuzünden, war eine langwierige Angelegenheit gewesen. Aber Sayle wollte verbrannte Erde, und Ocho sollte verflucht sein, wenn der Leutnant nicht auch genau das bekam.
    Am Anfang hatte es Widerstand unter den Dorfbewohnern gegeben. Ein paar von ihnen hatten versucht, in die Sümpfe zu fliehen, so wie der Leutnant es vorausgesehen hatte, und Ocho hatte

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