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Vertrau deinem Herzen

Vertrau deinem Herzen

Titel: Vertrau deinem Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Wiggs
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in Callies Alter waren. Gepierct, tätowiert und in Leder gekleidet, saugten sie an ihren Menthol-Zigaretten. Alleine ihr Anblick machte sie wieder nervös. War sie der Rolle als Mutterfigur für Callie gewachsen? Andererseits: Nervös oder nicht – sie hatte die Entscheidung gefällt.
    Ihr Blick wanderte zu einem rundlichen Mann in einem Anzug, der aufgebracht hin und her ging und in sein Handy sprach. Sein Gesicht war knallrot, beinahe lila, und er zog den Zigarettenrauch wie eine Fahne hinter sich her. Willkommen in der Stadt! dachte Kate. Sogar hier auf der Fähre spürte sie schon, wie alles wieder schneller wurde.
    Sie schlenderten zum Heck des Schiffes, vorbei an einem Clown, der Tiere aus Luftballons bastelte, und ein paar rauflustigen Jungs, die mit ihren Spielzeugsoldaten spielten. Kate blieb stehen, um ihnen einen Augenblick zuzusehen. Sie lehnte sich gegen die grün gestrichene Reling und betrachtete die vertraute Landschaft. Sie hatte ihr ganzes Leben hier verbracht und musste sich immer wieder in Erinnerung rufen, wie magisch diese Stadt für Touristen und Neuankömmlinge war. Es gab keinen vergleichbaren Ort auf der Welt, vor allem nicht im Sommer, wenn der Regen nur eine weit entfernte Erinnerung war. Mit JD an ihrer Seite betrachtete sie die Aussicht mit neuen Augen: die schneebedeckten Bergspitzen, die sich aus dem Sund erhoben. Die Fähren und Schleppkähne, die kreuz und quer über das Wasser glitten, die Ausflugsdampfer und Fischerboote, die die bewaldeten Inseln und Meeresarme erkundeten. Das gleiche Wasser, das die Glas- und Stahlbauten der Stadt widerspiegelte, war Heimat für Wale, Robben, Lachse und Adler.
    „Eine meiner frühesten Erinnerungen ist, auf dem Weg zum See zur Fähre zu rennen“, sagte sie. „Einmal habe ich dafür gesorgt, dass wir das Schiff verpasst haben, weil ich meinen Hamster einfangen musste. Mein Bruder hat deswegen die ganze erste Woche der Ferien nicht mit mir gesprochen. Damals gab es nur ein paar Fähren am Tag – wenn man also eine davon verpasste, war das richtig tragisch.“
    Er nahm ihre Hand und küsste sie. „Es gibt immer ein nächstes Boot, Kate.“
    „Das habe ich auch gehört.“ Sie liebte es, wie er ihre Hand geküsst hatte und sie nun festhielt. Sie fühlte sich wie ein Schulmädchen, das sich das erste Mal mit seinem neuen Freund in der Öffentlichkeit zeigt. Bei dem Gedanken musste sie lachen und schlang ihre Arme um seinen Hals.
    Leute gingen an ihnen vorbei und schauten sie an, einige lächelten nachsichtig. Und Kate wurde klar, dass sie genauso aussahen wie all die Frischverliebten, denen sie immer mit sehnsüchtigem Blick hinterhergeschaut hatte.
    Ein gehetzt wirkendes junges Pärchen wachte über eine ganze Kinderschar, zu der ein kleines Mädchen und wild mit ihren Actionfiguren spielende Jungs gehörten. Der Vater versuchte, sie für ein Foto an der Reling zu sammeln, während die Mutter ein aufgeregtes Kleinkind in einen Buggy bugsierte.
    Irgendwie schaffte der Vater es, die Jungs zusammenzurommeln. Seine Frau gab dem Kleinen einen Keks, damit er mit dem Weinen aufhörte.
    „Wir sollten ihnen anbieten, das Foto zu machen“, sagte Kate und winkte dem Vater zu, um auf sich aufmerksam zu machen.
    JD zuckte zurück. „Das kann doch jemand anderes tun.“
    Meine Güte, dachte sie, ist er wirklich so schüchtern? Sie ging zu dem Mann mit der Kamera. „Soll ich das Foto machen? Dann sind Sie auch mit drauf.“
    „Oh, danke! Es ist eine Digitalkamera. Einfach draufhalten und losknipsen. Der Auslöser ist gleich hier.“
    „Okay, das schaff ich. Ich mach gleich ein paar.“
    Der Mann beeilte sich, sich zu seiner Familie zu stellen. Hinter ihnen erhob sich eindrucksvoll der Mount Rainier. Der Mann hob das Baby hoch und drehte es zur Kamera.
    Die Jungs benahmen sich fürchterlich, frotzelten und schubsten einander und stritten um ihre Actionfiguren.
    „Und jetzt alle mal lächeln!“, sagte Kate und schoss zwei, drei Bilder. In ein paar Jahren, dachte sie, als sie dem Mann die Kamera zurückgab, erinnert sich keiner mehr daran, wie ungezogen die Kinder oder wie müde die Eltern jetzt sind. Sie würden sich nur daran erinnern, wie jung sie alle gewesen waren und was für einen schönen Tag auf dem Sund sie verbracht hatten.
    „Sie haben eine ganz entzückende Familie“, sagte sie zu der Frau.
    „Danke. Das sind unsere ersten gemeinsamen Sommerferien. Wir haben gerade erst geheiratet.“ Sie zeigte auf die Jungs. „Patchworkfamilie –

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