Vertrau der Stimme deines Herzens!
begriff aber, dass es keinen Sinn hatte, weiter zu diskutieren.
Als sie die Tür des Fitnessstudios hinter sich geschlossen hatte, seufzte Rachel erleichtert. Es würde kein leichtes Unterfangen werden, mit Alessandros Stolz und Dickköpfigkeit klarzukommen. Die beste Taktik war bestimmt, seine verbalen Ausbrüche nicht persönlich zu nehmen. Denn im Endeffekt richteten sich sein Zorn und die Verbitterung wahrscheinlich eher gegen ihn selbst als gegen sie. Er vertrug es einfach nicht, Schwäche zu zeigen – weder körperliche noch emotionale. Aber wie sehr trug sie mit ihrem unreifen und unfairen Verhalten von vor fünf Jahren eine Mitschuld daran, dass Alessandro diese hohe Schutzmauer um sich aufgebaut hatte?
Alessandro zog sich mühsam an der Hantelbank hoch und ließ sich mit einem ächzenden Laut auf sie fallen. Sämtliche Muskeln in seinem Körper brannten – aber nicht so sehr wegen der Anstrengung, sondern vielmehr wegen des körperlichen Verlangens, das Rachel in ihm entfacht hatte.
Sie zu küssen war ein riskanter Schachzug gewesen. Schließlich war es schon schlimm genug, dass seine Krankheit ihn hilflos machte. Fehlte nur noch, dass sie ihn auch noch mit ihren Reizen zu einem willenlosen Spielball degradierte. Aber er hatte ihren vollen Lippen einfach nicht widerstehen können.
Wahrscheinlich war ihr unerwartetes Auftauchen im Fitnessraum alles andere als ein Zufall gewesen. Hatte sie es genossen zu beobachten, wie er sich mit jedem Schritt abmühen musste? So wie sie damals Freude daran gehabt hatte, ihn auflaufen zu lassen?
Er würde es nicht noch einmal dazu kommen lassen, sondern seine Gefühle auf Eis legen – und sich zum gegebenen Zeitpunkt das von Rachel holen, was ihm zustand.
6. KAPITEL
Rachel hatte gerade den Tisch im Esszimmer zu Ende gedeckt, als das Surren des Fahrstuhls ihr signalisierte, dass Alessandro in wenigen Sekunden da sein würde. So gern sie auch immun auf seine Anwesenheit reagiert hätte – das Herzklopfen und ihr kurz stockender Atem belegten eindeutig das Gegenteil.
Mit leicht zitternden Händen strich sie ihr Haar und ihr Kleid zurecht. Sie wusste zwar nicht genau, warum, aber sie hatte sich heute Abend schön gemacht und eine ihrer eigenen Kreationen angezogen. Es war ein langes graues Seidenkleid, das mit Hunderten glitzernden Swarovsky-Steinchen bestickt war. Vielleicht lag es an der märchenhaften Atmosphäre der Villa, dass ihr selbst ein alltägliches Abendessen wie ein außergewöhnliches Ereignis erschien.
Alessandro erschien in der Tür – aber nicht in seinem Rollstuhl, sondern auf zwei Krücken gestützt.
„Du gehst!“, rief sie freudig überrascht.
„Wenn du es so nennen möchtest“, entgegnete er mit einem zerknirschten Lächeln.
„Es ist ein fantastisches Zeichen. Dein hartes Training trägt bereits die ersten Früchte.“
„Mag sein.“ Es folgte ein kurzes Schweigen, in dem er sie eindringlich musterte. „Du siehst sehr schön aus heute Abend“, sagte er schließlich.
Das unerwartete Kompliment ließ sie erröten. „Danke.“
„Ich frage mich, ob ich es wagen kann zu essen, was du vorbereitet hast.“
Verwirrt sah sie ihn an. „Warum?“
„Ich war heute Morgen ziemlich schroff zu dir“, bekannte er mit reumütigem Blick. „Vielleicht hast du etwas Giftiges unter das Essen gemischt, um mich zu bestrafen.“
„Du musst dich höchstens vor meiner Zunge fürchten“, sagte sie kess. „Sie könnte tatsächlich kleine Giftpfeile abschießen.“
Ein amüsiertes Lächeln breitete sich auf seinem sonst so ernsten Gesicht aus und steigerte augenblicklich seine Anziehungskraft auf sie, was Rachel an dem eindeutigen Kribbeln im Bauch spürte.
„Dann sollte ich deiner Zunge lieber fernbleiben“, schloss er verschmitzt.
„Ja, das solltest du“, antwortete sie mit plötzlich belegter Stimme.
Alessandro schob sich langsam mit seinen Krücken an ihr vorbei. Obwohl die kurze Strecke ihn sichtlich Anstrengung kostete, bot sie ihm keine Hilfe an. Sie wollte es vermeiden, versehentlich wieder seinen Stolz zu kränken.
„Danke“, sagte er, als er sich schließlich gesetzt hatte.
„Wofür?“
„Dafür, dass du mich nicht wie einen Invaliden behandelst.“
„Du bist ja auch kein Invalide. Du hast in der kurzen Zeit, die ich hier bin, schon unglaubliche Fortschritte vollbracht. Es wird nicht mehr lange dauern, bis du wieder vollkommen fit bist.“ Sie zögerte kurz. „Wie hast du es eigentlich gestern Abend
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