Vertrau mir deine Sehnsucht an (Der romantische Liebesroman) (German Edition)
jetzt nicht mehr erreichen. Es ist ein schlimmes Schicksal, wenn man dauernd auf die Hilfe anderer angewiesen ist."
Melanie stieg über den niedrigen Zaun und hob das Buch auf. Sie legte es Herrn Guske auf die Knie. "Kann ich noch etwas für Sie tun?" Sie schaute den Fremden an und spürte plötzlich eine Verbundenheit, fast eine Vertrautheit, als würde sie ihn schon sehr lange kennen.
Martin schien es nicht viel anders zu ergehen. Seine eben noch angespannten Gesichtszüge wurden weich, und in seine Augen trat ein freundlicher Schimmer. "Ja, Sie könnten noch etwas für mich tun. Bleiben Sie eine Weile bei mir und erzählen Sie mir von sich? Ich meine, nur wenn es nicht zu unverschämt ist von mir und ich Sie von Ihrer Arbeit abhalte."
"Ich bleibe gern", antwortete Melanie ehrlich. Sie schaute sich suchend um.
"Ein Sessel steht unter dem Dach dort drüben." Martin deutete auf eine Laube, deren Tür offen stand. "Meine Tochter, Stefanie, ist einkaufen. Das dauert erfahrungsgemäß immer etwas länger. Halte ich Sie wirklich nicht auf?"
Melanie hatte sich einen Stuhl geholt und setzte sich jetzt dem Nachbarn gegenüber. "Sie halten mich wirklich nicht auf", versicherte sie sofort. "Im Gegenteil, ich bin sehr froh, mich eine Weile mit Ihnen unterhalten zu können. Heute früh stellte ich nämlich erschrocken fest, dass mir die Decke auf den Kopf fällt. Tim, mein zwölfjähriger Sohn, hat heute seinen ersten Schultag, und ich spüre die Leere dieses Hauses beinahe körperlich."
"Sie haben das Haus von Frau Küppers gekauft?"
Melanie schüttelte den Kopf. "Frau Küppers war meine Tante Anna. Ich habe sie öfter besucht in der letzten Zeit, als sie leidend war. Sie war die letzte meiner Familie."
"Ich hab Sie hier nie gesehen."
"Das ist leicht zu erklären. Meine Tante konnte nicht mehr so gut aus dem Haus, und so bin ich auch bei ihr geblieben. Meist waren wir in den Ferien da. Damals blieb Tim bei seinem Vater, aber inzwischen..."
"Ist Ihr Mann tot?" Erschrocken schaute Martin Guske seine Besucherin an. "Das würde erklären, weshalb Sie immer so traurig sind", fügte er vorsichtig hinzu.
"Woher wollen Sie wissen, dass ich traurig bin?"
"Manchmal hab ich Sie vom Balkon aus gesehen. Wenn die Sonne nicht zu heiß ist, kann ich nach draußen. Auch vormit-tags bin ich sonst meistens oben. Ich weiß selbst nicht, weshalb ich heute meine Tochter gebeten habe, mich in den Garten zu bringen. Muss wohl eine innere Stimme gewesen sein, die mir zugeflüstert hat, dass ich Sie heute endlich kennen lernen werde." Er lächelte leicht.
Die junge Frau lächelte zurück. Sie fühlte sich mit einem Mal getröstet und wieder voller Vertrauen in die Zukunft. Den Grund dafür kannte sie nicht, aber er musste mit dem Nachbarn zusammen hängen. Ein Schachzug des Schicksals hatte sie ausgerechnet heute Vormittag in den Garten geführt, als sich das Buch unter dem Rollstuhl festgeklemmt hatte.
"Mein Mann ist nicht tot", fuhr sie nach einer Weile des Schweigens fort. "Wir sind geschieden."
"Hatte er eine andere?"
"Das ebenfalls", wich Melanie einer direkten Antwort aus. "Aber es sind auch noch andere Dinge vorgefallen. Torsten ist... er hat uns immer wieder gezeigt, wer das Sagen in der Familie hat."
"Wie hat er das gezeigt?", fragte der Mann vorsichtig. "Ich möchte nicht als neugierig erscheinen, ganz gewiss nicht. Bitte sagen Sie mir, wenn ich nicht mehr fragen soll. Dann werde ich meinen Mund halten." Er legte seine Hand auf die von Melanie, die verkrampft auf ihren Knien lagen. Dabei spürte er ein seltsames Schwächegefühl in der Magengegend, das ihm aber nicht unangenehm war.
"Er... schlug uns", antwortete Melanie mit zitternder Stimme. "Und wenn er sich gar nicht mehr durchsetzen konnte, dann sperrte er uns einfach in der Wohnung ein. Manchmal gleich für zwei Tage übers Wochenende."
"Und das haben Sie sich gefallen lassen?" Martin Guske war entsetzt. "Warum haben Sie nicht die Polizei verständigt oder sich von dem Mann getrennt?"
"Ich hatte ihn geheiratet, und wir haben uns geschworen, in guten und in schlechten Tagen zusammen zu halten. Torsten war früher ein sehr liebvoller Ehemann gewesen. Seine Eltern hatten ein gut gehendes Baugeschäft, das er einmal übernehmen sollte. Er arbeitete Tag und Nacht in der Firma. Doch was er nicht wusste war, dass sein Vater längst keine Kredite mehr von der Bank bekam
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