Vertrau mir deine Sehnsucht an (Der romantische Liebesroman) (German Edition)
betrachtete sie ihr Ge-sicht, und zum ersten Mal stellte sie fest, dass sie eigent-lich recht hübsch aussah. Später ertappte sie sich sogar da-bei, dass sie leise ein Lied vor sich hin summte, während sie das Frühstück für ihren mürrischen Vater bereitete.
"Ich hoffe, es schmeckt dir", sagte sie freundlich, als sie sein Zimmer betrat. Sie stellte das Tablett auf das Bett und den Teller darauf. "Guten Appetit."
"Was habt ihr noch besprochen?", fragte der Kranke lau-ernd. "Der Arzt wollte doch noch etwas von dir. Was war es? Ich muss das wissen."
Stefanie sagte nichts. Sie sah, dass der Vater seine Hän-de zu Fäusten geballt hatte. "Doktor Horbach hatte mich in Verdacht. Er glaubt wohl, ich schlage dich jeden Tag", antwortete sie nur leichthin, dann verließ sie das Zimmer. Zum ersten Mal störte es sie nicht, dass er ihr wütend hinterher schrie. Sie zog einfach die Tür ins Schloss und ging. Die Schmetterlinge in ihrem Magen blieben.
* * *
Das Haus war an diesem Vormittag seltsam leer und nichts-sagend. Melanie überlegte, was sich seit gestern verändert hatte. Dann fiel es ihr ein. Tim war in der Schule, und die Stille der Räume legte sich drückend auf ihr Gemüt.
Sie musste etwas tun, das sie von ihren schweren Gedanken ablenkte. Entschlossen klappte sie das Buch zu, in dem sie eben lesen wollte, und ging zum Fenster. Vor ihr lag der wunderschön angelegte und doch ziemlich verwilderte Garten, der die ganze Freude ihrer verstorbenen Tante gewesen war. Hier hatte sie ein weites Feld, um sich abzulenken. Sie würde Monate brauchen, bis alles so aussah, wie sie es sich vorstellte. Dabei wollte sie aber die Anlage, wie ihre Tante sie hatte machen lassen, nicht sehr verändern. Aber alle Sträucher mussten zurück geschnitten werden, und vor allem nahm das Unkraut in den Blumenrabatten und unter den Büschen langsam überhand.
Aus dem ans Haus angebauten Geräteschuppen holte sie Werkzeug, das sie für ihre Arbeit benötigte, und dann versuchte sie sich an dem zu erfreuen, was sie vor hatte. Das war gar nicht so einfach. Irgendwie hatte der Tag heute schon traurig angefangen, und genauso war er auch weiter gegangen, obwohl nichts passiert war.
Zeitig in der Frühe hatte sie Tim zur Schule gebracht, es war sein erster Schultag. Danach war sie noch kurz einkaufen gegangen und dann gleich nach Hause gefahren. Gestern noch hatte sie Pläne gemacht, was sie tun würde, wenn sie allein war. Heute wusste sie, dass es lediglich die Angst vor dem Alleinsein gewesen war, die eine Art unnatürlicher Euphorie in ihr ausgelöst hatte. Der unweigerliche Zusammenbruch stand kurz bevor.
So weit wollte Melanie es jedoch nicht kommen lassen. Sie
war es gewohnt zu kämpfen, und sie würde es nicht zulassen, in Depressionen zu verfallen, wie das schon einmal vor Mona-ten der Fall gewesen war. Damals hatte Torsten ihr gedroht, Tim zu entführen, wenn sie auf der Scheidung beharrte.
"Mist", schimpfte sie halblaut vor sich hin, während sie mit der Hacke den ziemlich harten Boden zwischen den Büschen traktierte. Man merkte, dass die frühere Besitzerin schon länger leidend gewesen war. Dennoch waren die Büsche wunder-bar gewachsen, und der Jasmin stand in voller Blüte, sah aus wie ein sehr teurer Brautstrauß.
Ein leises Räuspern holte Melanie aus ihren Gedanken. Sie richtete sich auf und legte den linken Arm nach hinten über die schmerzende Stelle an ihrem Rücken. Dann schaute sie sich um und stellte fest, dass das Geräusch vom Nachbargrundstück gekommen war. Stefanie Guske aber war es nicht gewesen, es war eine Männerstimme, das hatte sie klar erkannt.
Neugierig ging sie zum Zaun und spähte hinüber. Sie sah den Mann im Rollstuhl, der verzweifelt versuchte, ein Buch, das ihm aus der Hand gerutscht war, wieder aufzuheben. Es war so unglücklich gefallen, dass der Mann bei dem Versuch, es wieder aufzuheben, mit einem Rad draufgefahren war. Jetzt konnte er allein nichts mehr bewegen, denn auch der Rollstuhl schien irgendwie nicht mehr fahrfähig.
"Kann ich Ihnen helfen?"
Der Mann drehte ein wenig den Kopf, so dass er gerade in ihre Richtung sehen konnte. Es war offensichtlich nicht gerade eine bequeme Stellung, denn er verzog das Gesicht. "Das wäre nett von Ihnen. Ich wollte lesen, aber dabei muss ich wohl eingeschlafen sein. Dabei ist mir das Buch aus der Hand gerutscht, und ich kann es
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