Vertrau mir! - Thriller
Das ergab einfach keinen Sinn. Sie konnten nicht von Henry kommen und gleichzeitig der Night Road angehören.
Die Erkenntnis traf ihn wie ein Stein, der aus den Wolken
fiel. Hatte Henry selbst mit der Night Road zu tun? Es erschien einfach unmöglich. Aber genauso unmöglich erschien es ihm, dass Henry sich weigerte, Lösegeld für ihn zu zahlen.
Wer ist dein Klient?, hatte er Henry gefragt. Was machst du mit meinen Informationen? Henry hatte nur gelächelt und war ihm ausgewichen; vielleicht wollte er ihn mit dem lukrativen Jobangebot bestechen, damit er aufhörte, unbequeme Fragen zu stellen.
Luke hatte ihm die gesammelten Postings der Diskussionsgruppen samt den Namen gegeben - also hatte Henry alle Möglichkeiten, selbst mit den Leuten in Kontakt zu treten, die vielleicht Extremisten waren. Er hatte sie Henry auf dem Silbertablett serviert. Gott allein wusste, wer sein Klient wirklich war.
Er brauchte dringend ein Telefon. Er musste die Polizei anrufen.
Plötzlich stolperte er auf eine Lichtung. Ein nettes kleines Landhaus stand im strömenden Regen vor ihm. Weiß gestrichen, mit einer Veranda zum Fluss hin, einer Hollywoodschaukel und Korbstühlen ohne Kissen. Ein Angelpier ragte in den Fluss hinein.
Er lief zur Hintertür des Hauses und klopfte, doch es kam niemand. Die Vorhänge waren an allen Fenstern zugezogen. Er lauschte an der Fensterscheibe; kein Laut drang von drinnen heraus. Er ging um die Veranda herum; auf der anderen Seite gab es eine kleine Garage für ein Auto. Eine geschotterte Zufahrt führte von einer asphaltierten Straße zur Garage. Daneben stand ein kleiner Geräteschuppen, dessen Tür mit einem Schloss gesichert war. Luke nahm sich einen großen Stein aus einem Blumenbeet und hämmerte auf das Schloss ein. Doch es ließ sich nicht knacken.
Er lief zum Cottage zurück. Sein Gewissen ließ ihn zögern,
einfach in das Haus einzubrechen. Doch er war verzweifelt, und das war nun einmal seine neue Realität. Er musste sich danach richten.
Er schlug die Glasscheibe an der Verandatür ein. Keine Alarmanlage heulte los. Er griff rasch nach dem Schloss, öffnete die Tür und stolperte ins Haus.
Er zitterte und drehte die Heizung auf. Sie erwachte zum Leben, und ein staubiger verbrannter Geruch stieg in die Luft. Das Häuschen war nett eingerichtet; es war wohl das Wochenendhaus von jemandem, der gern mal ein paar Tage am Fluss verbrachte. Luke brauchte etwas zu essen, einen Schluck Whiskey, um sich aufzuwärmen, und trockene Kleider. Aber vor allem wollte er endlich seine Fesseln loswerden. Er suchte die Küche ab und fand schließlich in einer Schublade einen Schlüsselring.
Er eilte zum Geräteschuppen hinaus und probierte die Schlüssel durch. Der dritte öffnete das Schloss. An einer Wand hingen fein säuberlich aufgereiht verschiedene Werkzeuge. Er fand rasch, was er brauchte: eine Bohrmaschine.
Etwas umständlich steckte er den Bohrer in das Schloss seiner Handschellen und ließ die Maschine anlaufen. Metall knirschte und kreischte, die Handschellen zitterten und tanzten im Rhythmus des Bohrers und gaben schließlich nach. Seine rechte Hand war frei; ein wunderbares Gefühl. Die Haut am Handgelenk war wund, blutig und geschwollen. Wenig später hatte er auch seine linke Hand befreit.
Luke legte das Werkzeug an seinen Platz zurück, verließ den Geräteschuppen und schloss die Tür ab. Die Ketten warf er in der Küche in den Mülleimer.
In der Küche war kein Telefon. Er suchte den Rest des Ferienhauses ab, fand zwei Schlafzimmer, zwei Badezimmer und ein Arbeitszimmer, aber kein Telefon. Eigenartig. Aber
heutzutage hatte jeder ein Handy, deshalb hatten die Besitzer es vielleicht nicht für nötig gehalten, einen Festnetzanschluss in ihrem Wochenendhäuschen einrichten zu lassen.
Er trat ans Fenster und blickte hinaus. Kein Anzeichen, dass er verfolgt wurde; weder Snow noch Mouser kamen aus dem verregneten Wald hervor. Er war in Sicherheit - die Frage war nur, für wie lange.
Er schaltete kein Licht ein. Er zog seine ruinierten Kleider aus und stellte sich unter den heißen Strahl der Dusche. Er rieb sich ab, bis er wund war, und musste sich zwingen, die belebende Wärme des Wassers zu verlassen. Danach hüllte er sich in ein Badetuch. Im Wandschrank des großen Schlafzimmers fand er Männerkleider. Luke war eins achtundachtzig groß, deshalb überraschte es ihn, dass ihm die Jeans des Mannes ein bisschen zu lang und zu weit war. Besser so, dachte er sich, als zu klein. Er nahm
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