Vertrau mir! - Thriller
sich ein graues langärmeliges T-Shirt, ein Flanellhemd und eine Jacke. Er fand keine Schuhe, aber Galoschen; er zog sie an, zusammen mit weißen Socken, für den Fall, dass er das Haus schnell verlassen musste.
Im Badezimmer strich er ein antibakterielles Gel auf seine wunden Handgelenke und umwickelte sie mit Gazeverband. Er sah aus, als wollte er verbergen, dass er versucht hatte, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Wenigstens fühlte er sich wieder wie ein Mensch. Im Medizinschrank fand er ein paar Fläschchen, die auf den Namen Olmstead ausgestellt waren. Das Häuschen, in dem er sich hier versteckte, gehörte also einer Familie Olmstead. Er hoffte, die Olmsteads waren nette, verständnisvolle Leute. Ein plötzlicher unbändiger Hunger - der in den letzten Stunden vom Adrenalin unterdrückt worden war - meldete sich in seinem Magen. Er hatte nichts gegessen seit dem Mittagessen an dem Tag, als er Henry zum
Flughafen gebracht hatte, und das schien eine Ewigkeit her zu sein.
Im Kühlschrank fand er nicht viel - ein Glas Erdbeermarmelade, abgelaufene Milch und Sauerrahm, ein paar Flaschen Bier. Er sah in der Vorratskammer nach und fand Erdnussbutter, Dosengemüse und Suppen. Im Gefrierschrank lagen mehrere abgepackte Steaks, ein Brotlaib und zwei vegetarische Pizzas. Das Steak würde zu lange dauern. Er machte Tomatensuppe warm und schob eine Pizza in den Ofen.
Er stand über der Suppe und ließ sich von dem aufsteigenden Wasserdampf das Gesicht wärmen. In der Ferne hörte er über dem leiser werdenden Donnergrollen das Knattern eines Hubschraubers. Als er ans Fenster trat, war er schon wieder weg.
Er schaltete den Fernseher ein, während er die heiße Suppe trank, und landete schließlich bei einem Vierundzwanzig-Stunden-Nachrichtensender aus Texas. Vorrangig ging es um den heftigen Regen, der den Osten von Texas und den Westen von Louisiana heimgesucht hatte. In der kleinen Ortschaft Ripley war offenbar ein Zug mit Chemikalien entgleist. Dreißig Menschen waren an dem austretenden Chlorgas gestorben und Hunderte verletzt worden. Der ganze Ort und alles im Umkreis von dreißig Kilometern musste vorübergehend evakuiert werden. Doch der Regen hatte die Bedrohung gebannt.
»Natürlich, ob es wirklich ein Unfall war oder, wie manche vermuten, ein Bombenanschlag auf den Zug, der den Gasaustritt verursacht hat …«
Ein Bombenanschlag. Und vorhin hatten sich Mouser und Snow noch über Bombenanschläge unterhalten.
Luke sank vor dem Fernseher auf die Knie, die Suppe in seinem Mund hatte ihren Geschmack verloren. Der Beitrag
beschäftigte sich mit den verheerenden Folgen des starken Regens: In Lufkin waren zwei Menschen ertrunken, in Longview hatten die Wassermassen einen Mann mitgerissen, und dann gab es da noch einen schweren Unfall mit einem Sattelschlepper bei Braintree; sie zeigten eine Luftaufnahme des Trucks, der in einen angeschwollenen Fluss gestürzt war. Der Fahrer wurde vermisst, man suchte intensiv nach ihm.
Vermisst. Bitte, komm da irgendwie lebend raus, dachte Luke. Doch diese Bilder im Fernsehen machten deutlich, dass jede Hoffnung vergeblich war - die Wucht des Aufpralls musste enorm gewesen sein.
Er lief zur Küchenspüle und wartete, dass der Übelkeitsanfall vorüberging. Als er zum Fernseher zurückblickte, war wieder der Moderator zu sehen. »Eine brutale Schießerei in der Innenstadt von Houston wurde von der Kamera eines Geldautomaten aufgenommen, und der Stiefsohn des Leiters eines bekannten politischen Thinktanks ist in den Vorfall verwickelt.« Der Reporter stand im Regen auf dem Parkplatz der Bank, wo Eric den Obdachlosen niedergeschossen hatte.
Es ging weiter mit unscharfen Bildern, die den Parkplatz der Bank und Lukes BMW zeigten. Man sah sein Gesicht, als er auf die Bremse stieg, um dem Mann, der zum Geldautomaten lief, den Weg abzuschneiden. Dann bewegte sich Luke ruckartig zu Eric hinüber, der nicht deutlich zu erkennen war. Der BM W fuhr aus dem Blickfeld der Kamera und kehrte zurück, als er den Parkplatz verließ. Das Nummernschild war zwar unscharf, aber doch gut genug zu erkennen. Die Polizei musste das Bildmaterial bearbeitet haben, um das Kennzeichen lesen zu können.
»Das Auto ist auf Luke Dantry aus Austin gemeldet, den Stiefsohn eines bekannten Polit-Experten und Leiter eines Thinktanks namens Henry Shawcross. Dantry ist einen
Meter achtundachtzig groß und schlank, hat braunes Haar, blaue Augen und ist vierundzwanzig Jahre alt. Er hat an der University of Texas
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