Vertrau mir
Ausgabe. Anna las die Schlagzeile in der Zeitung ihres Gegenübers, als sie am anderen Tag mit dem Bus von der Arbeit in der Taxizentrale nach Hause fuhr. Ihr Auto musste sie morgens in die Werkstatt bringen, weil die Batterieleuchte permanent brannte. Die Lichtmaschine war defekt.
»Seitenwechsel – Ehemalige Tierschützerin half der Polizei«, sprang Anna die Schlagzeile entgegen. Sie kaufte sich die Zeitung im nächsten Laden und las den Artikel. Es war haarsträubend. Im Grunde ging er nur wenig auf die Entführung ein. Das Thema war ja auch schon x-mal durchgekaut worden. Statt dessen – Anna hatte keine Ahnung, wie der Reporter an all die Informationen gekommen war – beschrieb er ziemlich detailliert ihre Vergangenheit, lobte ihren »Sinneswandel« und ihre jetzige Arbeit. Es war nicht nötig, dass er Annas Namen nannte. Jeder in der Szene wusste, wer gemeint war. Sie konnte sich schon mal ein paar Liter Graffitientferner kaufen, denn in ein paar Tagen würden die Mauern des Hofes nicht mehr weiß, sondern mit Verräterparolen vollgesprüht sein. Sie kannte das ja schon.
Zu Hause angekommen, warf Anna die Zeitung ärgerlich auf den Küchentisch, ihre Tasche daneben, ging ins Wohnzimmer, hörte den Anrufbeantworter ab. Eine Nachricht von Greta. »Wie geht es dir? So viel Berühmtheit wird dir hoffentlich nicht zu Kopf steigen. Ruf mich doch mal an. Ich habe was für dich.«
Anna wählte Gretas Nummer. »Ich bin neugierig«, sagte sie.
Greta lachte. »Ja, damit habe ich gerechnet.«
»Was ist es, was du für mich hast?«
»Eine Kundin erzählte mir von einer geplanten Urlaubsreise. Das Einzige, was der Reise im Wege steht, ist ihr Hund, den sie im Flugzeug nicht mitnehmen kann. Sie sucht eine Unterkunft für das Tier. Da habe ich ihr gesagt, sie soll dich anrufen, ob du Platz für einen Gast hast. Ich dachte, das ist eine gute Möglichkeit, nebenbei deine Kasse etwas aufzubessern.«
»Danke. Was ist es denn für ein Hund? Weißt du das?«
»Hab vergessen, was es für eine Rasse ist. Einer von den großen jedenfalls.«
Sie plauderten noch ein wenig über belanglose Dinge. Dann legte Anna auf, zog sich andere Klamotten an und ging in den Stall. Sie schaute nach ihrem Neuzugang Mia, einem Pferd, das von seinem ehemaligen Besitzer misshandelt und dermaßen vernachlässigt worden war, dass das Tier nur noch aus Haut und Knochen bestand. Die Tierklinik hatte das Pferd retten und wieder aufbauen können. Nun galt es, diesen Zustand durch gutes Futter und viel Liebe zu stabilisieren. Anna strich Mia den Kopf. Die zog sich ängstlich zurück. Beruhigend sprach Anna auf das Tier ein, legte ihren Kopf an den immer noch knochigen Hals und strich mit der Hand die Seite von Mias Bauch. Dann holte Anna ein Stück Zucker aus ihrer Tasche und bot es Mia auf ihrer flachen Hand an. Mias Nase reagierte sofort, ihr Maul näherte sich jedoch nur sehr vorsichtig Annas Hand. Sie hielt ganz still. Schließlich nahm Mia die Leckerei. Doch ihr Blick war nach wie vor ängstlich. Die lange Zeit der Qualen stand darin geschrieben, das Misstrauen gegenüber Menschen. Ob es jemals verschwinden würde? Anna setzte sich auf den Boden der Box in das Stroh, direkt neben Mia. Das Pferd machte Anna Platz. Fünfzehn Minuten saß sie so. Sie wollte sich gerade aufrappeln, als Anna plötzlich einen großen Kopf an ihrer Schulter spürte. Mia dachte wohl, es ginge ihr schlecht. Na ja, so unrecht hatte sie da nicht. Anna legte dankbar ihre Hand auf Mias Kopf. Diesmal zog sie sich nicht zurück. Während Anna mit Mia »sprach«, hörte sie ein Auto auf den Hof fahren. Das typische Geräusch von Autoreifen, die über kleine runde Steine fuhren. Sie ging um nachzusehen, wer da kam.
Es war der kleine Lieferwagen des Futterlieferanten. »Alles am gewohnten Platz abstellen?« fragte der junge Mann beflissen.
»Ja, danke.« Anna brachte ihm die Schubkarre, half beim Ausladen.
Jedenfalls so lange, bis ihr Handy klingelte. Die Dame mit dem Hund rief an. Sie erklärte, dass sie Annas Nummer von Greta hatte, und fragte nach der Möglichkeit, ihren Hund für drei Wochen in Pension zu geben.
»Ich möchte mir Ihren Hof aber vorher gern ansehen. Und Cash, so heißt mein Hund, auch erst mal ein, zwei Tage zur Probe bringen. Was würde das denn kosten?«
»Die Probetage nichts, wenn Sie den Hund dann bringen, vierzig Euro pro Woche.«
Sie vereinbarten gleich den morgigen Tag für die erste Schnupperrunde.
Der junge Mann hatte alle Säcke
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